Mit Mrozeks „Emigranten“ nähert sich Tadeusz Galia
im „polnischen theater“ seinen eigenen Wurzeln
Von Christoph Munk
Kiel. Dieser Kellerraum ist so täuschend echt gebaut, dass der Zuschauer glauben kann, er blicke hier nicht in ein Bühnenbild auf ebenerdiger Spielfläche, sondern in eine tief gelegene Wohnhöhle ohne Aussicht. Die Rohre dort sind wirklich aus rostigem Metall, aus dem Hahn fließt tatsächlich Wasser, und der karge Tisch ist bedeckt mit den Seiten eines real existierenden hiesigen Anzeigenblattes. Da ist klar: das „polnische theater kiel“ will mit dieser Produktion möglich nah an die Realität rücken – auch an die eigene. Darum dieser sture, betörende Realismus.
In diese Richtung deutet auch die Wahl des Stückes: Slavomir Mrozeks „Emigranten“ stammt aus der fruchtbarsten Zeit des gesellschaftskritischen polnischen Theaters in und außerhalb der Landesgrenzen, in dem auch Tadeusz Galia seine Wurzeln geschlagen haben dürfte. Der Einakter thematisiert die Situation des Intellektuellen und des Künstlers, der sich fern seiner Heimat materiell und geistig am Leben erhalten muss. Galia, Regisseur und Schauspieler, kennt diese Lage so gut wie der Autor selbst. Es war also überfällig, dass er das Zwei-Personen-Stück ins Repertoire seines „polnischen theaters“ einreiht. Bisher fehlte dem Theatermacher nach eigenem Bekunden ein kongenialer Spielpartner. Der steht ihm jetzt ebenbürtig auf der Bühne gegenüber: Astrit Geci, ein ausgebildeter Schauspieler aus dem Kosovo, den seine verschlungenen Wege vor gut vier Jahren nach Kiel geführt haben.

Der Gastarbeiter XX (Astrit Geck, links) debattiert mit dem Flüchtling AA (Tadeusz Gala). (Foto: Jens Matthießen)
AA versus XX – das ist die von Mrozek vorgegebene Personenkonstellation: Ein politischer Flüchtling, den Galia gestaltet, ist mit einem Gastarbeiter zusammengespannt, den Geci verkörpert. Ihr Status ist unterschiedlich, doch die dialogische Auseinandersetzung beschäftigt sich wenig mit Asylpolitik, sondern vielmehr mit den geistigen Gegensätzen zweier Männer, die zwar eine ärmliche Wohnung teilen, sonst aber nicht viel gemeinsam haben. AA ringt als philosophischer Schriftsteller um die Fähigkeit, fern von Unterdrückung, aber eben in der Fremde, sein geplantes großes Werk zu Papier zu bringen. Ihn bringt Tadeusz Galia nicht als besonders scharfen Zyniker, sondern eher als missmutigen Intellektuellen auf die Bühne. XX interessiert sich eher für den wirtschaftlichen Erfolg seines Aufenthaltes, denn er hortet seinen Arbeitslohn, um später zuhause sich und seiner Familie eine Zukunft in Geborgenheit zu schaffen. Astrit Geci stattet diese Figur mit emotionaler Energie als verzweifelten Träumer aus.
Klar herausgearbeitete Profile und eine höchst realistische Diktion zeichnen das engagiert geführte Wortduell aus. Ihm gewinnen Galia und seine Co-Regisseurin Jutta Ziemke immer wieder dramatisch zugespitzte Momente ab. So halten sie den Spannungsbogen der textlastigen, aber faszinierenden Auseinandersetzung selbst über eine kunstvoll eingefügte Pause hinweg aufrecht. Und mit seinem Plädoyer für eine gerechte und freiheitliche Gesellschaftsordnung setzt Galia ans Ende des Spiels einen stilistisch herausgehobenen Schlusspunkt. Danach mischt sich Gesinnungsbeifall mit der Anerkennung für eine ehrliche und solide Inszenierung zu effektvollem Premierenbeifall.
Infos und Termine: www.polnisches-theater-kiel.de
Schreibe einen Kommentar