Dirk Brauns las im Kulturforum zusammen mit Hendrik Duryn
aus seinem Roman „Wir müssen dann fort sein“

Von Jörg Meyer

Kiel. „Zog ich der Diktatur hinterher wie ein Nomade? War ich süchtig nach Unterdrückung?“, fragt sich der Journalist Oliver Hackert, die Hauptfigur in Dirk Brauns’ Roman „Wir müssen dann fort sein“, als er in Minsk landet, um den weißrussischen Diktator zu interviewen. Ein wenig ist er damit auch Alter Ego des 1968 in Ost-Berlin geborenen Autors, der lange Korrespondent in Minsk und Peking war, und sich auf Spurensuche begibt nach dem, „was Diktatur für eine Gesellschaft und im Kleinen auch für die Familie bedeutet“.

Dirk Brauns (Foto: Max Lautenschläger)

Dass dies nicht nur ein Vater-Sohn-Drama (zwischen Hackert und seinem Vater, einem „proletarischen Schriftsteller“, für dessen regime-treuen Romane er sich immer fremdschämte) ist, sondern auch ein Polit-Thriller wird schon in der kafkaesken Eingangsszene deutlich, die Brauns im sehr gut besuchten Kulturforum zusammen mit seinem Schauspieler-Freund Hendrik Duryn liest. Der Ich-Erzähler wird nach einer durchzechten Geburtstagsfeier seines Vaters verhaftet. Das väterliche Haus sei abgebrannt, der Vater verschwunden und er daran nicht unbeteiligt. Doch Hackert kann sich an nichts erinnern, sieht sich vielmehr mit einem Jugendfreund konfrontiert, der nun Hauptkommissar ist und offenbar alles über ihn und die vergangene Nacht weiß.

Hendrik Duryn (Foto: AKG)

Die kafkaeske Szenerie hat jedoch auch etwas galgenhumorig Komisches, zumal wie Brauns und Duryn die Figuren dialogisch lesend gestalten – auch im Gespräch zwischen Hackert und seinem ihn seinerzeit diktatorisch gängelnden Vater, das nicht minder (tragi-) komisch verläuft. „Komik ist ein Transportmittel“ in diesem „in seinen Abgründen doch sehr extremen Buch“ (Duryn über den Roman), erläutert Brauns seinen Stil. Auch der Roman selbst habe ihn quasi diktatorisch beherrscht, sei eine sehr schwere Geburt gewesen. Und gegen Diktatur helfe immer der Witz. Im Roman sind dies vor allem die eingestreuten Kolumnen Hackerts – etwa über eine therapeutische Darmspülung, die er in Minsk in all ihrer Absurdität und nicht zuletzt Symbolik über sich ergehen ließ. „Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten“, sagt Brauns und liest dieses „Anale Grande“ mit so komischer Fabulierlust und zur großen Heiterkeit des Publikums, dass es fast schon wieder kafkaesk ist.

Weitere Infos zum Buch: dirkbrauns.com