Rike Reinigers „Lost and Found – ein Herz und andere Dinge“ feierte Premiere am Jungen Theater im Werftpark
Von Jörg Meyer
Kiel. Ein wenig fühlt man sich an Sprachlernsendungen im Bildungs-TV erinnert, wenn August und Judy in Rike Reinigers zweisprachigem Kinderstück „Lost and Found – ein Herz und andere Dinge“, das in der Inszenierung von Astrid Großgasteiger am Sonnabend im ausverkauften Jungen Theater im Werftpark Premiere feierte, den Dingen ihre deutschen und englischen Namen geben und so Ordnung in Augusts Kinderzimmer – und die Welt nicht zuletzt – bringen.
Und dabei wird es – zumindest für so genannt erwachsene Zuschauer, intuitiv aber gerade für die Kinder ab fünf Jahren, für die das Stück gemacht ist –, schon fast philosophisch: Sprache organsisiert die rund um uns vorgefundenen Dinge, macht die Welt begreifbar, indem wir sie mit Begriffen versehen, sie benennen. Wundern kann man sich dennoch wie der siebenjährige August (als forscher Spring-ins-Feld gespielt von Sebastian Kreuzer), warum die Englisch sprechende Judy (Kristin Hansen gibt sie mit der frechen Aufgewecktheit einer Pippi Langstrumpf) einen Löffel „spoon“ nennt. Und warum „guck’“ fast so wie „cook“ klingt, obwohl Schauen und Kochen doch ganz verschiedene Tätigkeiten sind. Die „Arbitrarität des Zeichens“ nennen das Sprachwissenschaftler achselzuckend und wundern sich nicht minder, dass die Namen der Dinge diese eigentlich erst zum „thing-Ding“ machen.

Im Ritterspiel von August (Sebastian Kreuzer) und Judy (Kristin Hansen) wird aus den Dingen etwas anderes als ihr Name vermuten lässt. (Foto: Olaf Struck)
Aber genug der Philosophiererei. Die beiden Kinder eigenen sich die jeweils fremde Sprache – und damit die kleine Welt im mit farbigen Bauklötzen möblierten Kinderzimmer (Bühne: Astrid Großgasteiger) – spielerisch an, denn Sprache ist letztlich auch nur ein Spiel. Das ist so fantasievoll, wie es nur Kinder können. Nämlich, indem aus den benannten und damit begriffenen Dingen in ihrer Fantasie ganz andere werden: Im Ritterspiel der beiden aus dem „Löffel / spoon“ ein „Schwert / sword“ und aus dem „Kochtopf / cooking pot“ ein „Helm(et)“. Und wenn die „Prinzessin“ ihr „Herz verliert / lost my heart“, ist das zwar symbolisch gemeint, in der Kinderwelt ist’s aber ganz dinglich ein roter Luftballon – erfunden, also wiedergefunden.
Knallbunt sind die verlorenen Dinge im Kinderrund und –mund, und finden sich wieder an, indem sie sich wie bei den „logischen Blöcken“, die manche Eltern noch aus der Mengenlehre ihrer Grundschulzeit kennen, nach Farben ordnen lassen, auch wenn ein grüner Löffel und ein grüner Eimer doch ganz verschiedene Dinge sind. So wird das lästige Aufräumen zum Kinderspiel.
Am Ende passt auch die große gelbe Rolle genau ins Loch im roten Schrank-Bauklotz, hat alles seinen Platz gefunden, selbst wenn es „into the bin / in die blaue Tonne“ gewandert ist – als Material fürs nächste (Sprach-) Spiel.
Nächste (noch nicht ausverkaufte) Aufführungen: 21.2., 10 Uhr; 28.2. und 14.3., 10.30 Uhr. Karten: Tel. 0431/901901, www.theater-kiel.de.
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