Das Neue-Musik-Festival Provinzlärm eröffnete mit einer Musik-Video-Installation

Von Jörg Meyer

Eckernförde. Über Musik zu schreiben, namentlich Neue Musik, die gegenwärtige Klangerforschung, ist schwierig, funktioniert wahrscheinlich nur über Bilder, sprachliche und dem Höreindruck abgelauschte. Umso besser, wenn die Neue Musik sich selbst bebildert – wie von Daniel Eaton beim Eröffnungskonzert des 6. Internationalen Festivals für Neue Musik Provinzlärm am Freitag in der Nicolai-Kirche.

Den Hals muss man hoch recken, um das zu sehen, die Ohren nicht minder, um zu hören, was modern ist. Oder postmodern? Mit ihrer Modernität haderte die Neue Musik von Anbeginn, serielle Musik und Zwölf-Ton-Tonalität sind seit den 1960er Jahren längst verabschiedet, es bleibt, das Jenseits dessen zu hören und zu erfahren. Hier aber, in der gut besuchten Nicolai-Kirche, ist das alte Neue nochmal ungemein neust und zugleich „klassisch“ gegenwärtig, wenn Daniel Eaton, Video-DJ des Schweizer Ensembles TaG, den Klang beiderseits bewegt – in Film wie Musik – in Bild übersetzt.

Hoch, geradezu göttlich, thront der Video-Stream über den Sound-Erzeugern am weiß getünchten Himmel der Nicolai-Kirche. Drunten arbeitet man sich am Klang ab. Giacinto Scelsi ist mit gleich zwei Werken vertreten – „Aitsi“ für Klavier solo (Rafael Rütti) und dem „Duo“ für Geige und Cello (Mateusz Sczepkowski und Alex Jellici), die beide den einen Ton in seinen Klangspektren und Variationen erforschen. Ist das monoton oder Bordun? Beides! Und das in aller Konsequenz: Nur einen Ton in all seinen Klangspektren zu erforschen, ist ein Grundprinzip der Neuen Musik.

Zu „Musica (in-) visible“, so das Motto, steuern auch Komponisten bei, die, sagen die Festivalleiter Beatrix Wagner und Gerald Eckert, „mit der Tonalität noch verbunden sind“. Wobei „Tonalität“ ja auch bedeutet, dass man sie anzweifelt. Geoffredo Petrassis „Streichtrio“ zum Beispiel, das gründelt und grübelt im Atonalen, der Verabschiedung des Dur-Moll-Schemas, beides gleichwohl aufgreifend. Auch in Scelsis „Manto I“, einem Kampf um das Neutönen, hört man der Solo-Viola (David Schnee) zu, wie sie sich daran abarbeitet.

Und am Ende steht dieses zugleich wirre und bis ins Kleinste durchkonstruierte Werk von Franco Donatoni: „Ronda“ für Klavierquartett. So klassisch es in der Besetzung und formal (Rondo mit all seinem Wiederholungszwang) ist, so atonal-seriell, traditionell in vielem, weist dieses Werk doch in die noch ungeahnte Zukunft der Neuen Musik. Daniel Eaton findet dafür bewegte und bewegende (Film-) Bilder, ein Netzwerk aus Punkten, das aufbricht, sich wiedervereint und schließlich Sternwolken zeigt. Aus denen kommen wir alle und vermutlich alle Musik – beiderseits bewegt.