Das Landestheater zeigt in Rendsburg Kristian Smeds’ Szenenfolge „Eisbilder“
Von Hannes Hansen
Rendsburg. Kahle Wände, eine umlaufende Bank, ein schlichter Schrank, fertig ist das Bühnenbild, das Lucia Becker für Grazyna Kanias Inszenierung von Kristian Smeds’ „Eisbilder“ in den Kammerspielen des Landestheaters gebaut hat. In den überaus kargen Raum irgendwo im finnischen Norden stürzen auf der Flucht vor einem Schneesturm fünf Menschen, die sich zunächst schweigend umkreisen und misstrauisch beäugen. Erst ganz allmählich beginnen sie zu sprechen, und so entwickelt sich ein Bühnengeschehen zwischen brachialer Gewalt und zarter Poesie, rauer Wirklichkeit, empfindsamer Träumerei und religiös fundierter Sehnsucht. Das Kind, das sich im Spiegel als Greis entdeckt, die alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder hasst und sie – ein Akt paradoxer Liebe – zum Hass erzieht, damit sie vom Leben nicht enttäuscht werden, die Jugendliche, die vor ihrem Zuhause flieht und doch nur weiteres Elend zwischen Prügel und Suff findet, sie alle sind Verlorene und Verzweifelte, ebenso gemein und hinterhältig wie der Erlösung bedürftig.
Kruder Mix oder eindrückliche Mischung?
Zehn Bilder eines von Eiseskälte geprägten Familienlebens hat Kristian Smeds zusammengewürfelt, und die Regie unternimmt keine Anstrengung, sie in eine einigermaßen sinnstiftende Ordnung zu bringen. Es könnten durchaus ein, zwei Bilder fehlen, andere dazukommen, ohne dass es auffallen würde.

Reiner Schleberger, Flavio Kiener, Melina von Gagern, Neele Frederike Maak und Christian Simon in „Eisbilder“
Die Betonung des Disparaten, des Ungeordneten, gibt indes den Schauspielern viel Raum. Jennifer Ocampo Monsalvos Choreografie lässt Melina von Gagern, Flavio Kleener, Neele Frederike Maak, Reiner Schlegelberger und Christian Simon tobend und schreiend umherirren, Tango tanzen und statuarisch erstarren, beten, brüllen, weinen, immer auf der Suche nach sich selbst und der Errettung aus einem als unerträglich empfundenen Leben. So ist jedes dieser Bilder ein kleines, in sich selbst abgeschlossenes Drama mit nur ganz gelegentlichen losen Bezügen untereinander. In ihnen brechen sich Lebenserfahrungen und Erwartungen. Die kaleidoskopartige Zusammenstellung wirkt einerseits wie ein kruder Mix, die streckenweise lyrisch überhitze Sprache macht sie im Verein mit dem beeindruckenden Agieren aller Darsteller gelegentlich zur eindrücklichen Mischung.
Falsche Hoffnung oder glückliches Ende?

Reiner Schleberger, Christian Simon, Flavio Kiener, Melina von Gagern und Neele Frederike Maak in „Eisbilder“
Einen ähnlich zwiespältigen Eindruck hinterlässt das letzte der Eisbilder. Alle Beteiligten finden sich zu einer religiös heftig überladenen kommunalen Feier zusammen. Als sie die Hütte verlassen, hat der Schneesturm aufgehört, und durch die geöffnete Tür scheint ein gleißendes Licht. Das Licht der Verheißung einer glücklichen Zukunft oder das kalte Licht der Erstarrung in der Eiswüste der gestorbenen Gefühle?
Kurz: Kitsch oder dramatische Zuspitzung? Die Regie kann sich nicht entscheiden. Ich dafür umso mehr: Kitsch.
Infos und Termine: www.sh-landestheater.de
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