Jens Raschkes „Hamsterblut“ im Studio des Schauspielhauses macht ratlos
Von Hannes Hansen
Kiel. Auf der Bühne des Studios im Kieler Schauspielhaus räkeln sich gelangweilt vier mit „Hamsterblut“, einem Kunstblut für Theater und Film, beschmierte Figuren. Sie warten auf einen Henning, mit dem sie einen Lehrfilm für angehende Mediziner drehen wollen, in denen es um die Opfer eines Terroranschlags und ihre ärztliche Versorgung geht. Henning kommt nicht, dafür aber zwei weitere Akteure.
Es sind scharf, ja überscharf-karikaturistisch gezeichnete Figuren, allesamt Typen, keine runden Charaktere, die Jens Raschke und Regisseurin Kristin Trosits auf Nina Sievers’ als abgesperrten Unfallort realistisch gestaltete Bühne stellen. Marie (Jennifer Böhm) ist eine toughe und egozentrisch zynische junge Frau, Melanie (Yvonne Ruprecht) will mit den Dreharbeiten ein wenig Farbe in ihr langweiliges Angestelltenleben bringen und nervt mit Neugier und Gequatsche, und Agnetha (Claudia Macht), eine ehemalige Schauspielerin oszilliert zwischen Berufsstolz und beginnender Demenz. Auch die Männer sind nicht viel sympathischer. Zwar gibt sich der junge Fabian (Rudi Hindenburg), ein angehender Schauspieler, zunächst lieb und naiv, entpuppt sich aber später als wahres Monster. Konrad (Werner Klockow) glänzt mit rechtsradikalen, rassistischen Sprüchen, und La’ahad, ein vermeintlicher Syrer (Marko Gebert), ist ganz und gar rätselhaft.
„Warten auf Godot“ reloaded
Da sitzen sie nun, die sechs; sie warten immer noch darauf, dass es irgendwie weitergeht, stundenlang warten sie, bilden Allianzen, streiten sich und warten, und irgendwann begreifen wir, wir sind in einem Stück, das „Warten auf Godot reloaded“ heißt. Nur funktioniert das nicht, denn „Hamsterblut“ fehlt die metaphysische Dimension, die noch hinter Beckets absurdesten Dialogen hervorlugt. Hier aber geht es ganz platt realistisch zu, bis es am Ende zum spektakulären Knall kommt.
Ein Ausbruch sinnloser Gewalt
Irgendwann hat das Warten ein Ende, der rätselhafte La’ahad meuchelt die meisten Anwesenden, nachdem er sie mit einer Legende über das Zusammentreffen europäischer und arabischer Kultur fasziniert hat, Konrad verdünnisiert sich, und der überlebende nette Fabian lässt urplötzlich die Sau raus und schlägt vor, Agnetha den Kopf abzuschneiden; was La’ahad scheinbar menschenfreundlich ablehnt, um freilich kurz darauf auch Fabian umzulegen.
Warum das alles passiert? Keine Ahnung. Es geschieht einfach nur so. Weder Text noch Inszenierung warten mit einer sinnvollen Erklärung auf. Die Gewalt hat sich verselbstständigt, was sollen da nachvollziehbare Gründe. Der europäische Mensch blickt schaudernd in den Abgrund der menschlichen Seele und braucht sich folglich auch nicht mit unangenehmen Fragen nach den Ursachen terroristischer Gewalt zu beschäftigen. Wenn der Mensch einfach böse ist, kann man halt nichts machen.
Reicht das? Nö, Stück, Autor und Regie machen es sich zu einfach.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
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