New Model Army gaben sich frisch und wütend im MAX Nachttheater
Von Jörg Meyer
Kiel. Wie oft war Punk schon totgesagt? Aber er ist quicklebendig, auch – und vielleicht gerade – bei so alten Recken wie der britischen Band New Model Army. Im proppevollen MAX Nachttheater spielten sie neben alten „Hits“ aus den wilden Zeiten vor allem die neuesten vom Album „Winter“. Anders als dessen Titel ist das allerdings eher ein neuer Frühling für den Marsch gegen, nicht durch die Institutionen.
Von der Dunkelheit ins neue Licht geht es daher auch im ruppig auftrumpfenden Titelsong, den Sänger Justin Sullivan gleich an zweite Stelle setzt und damit die Marschrichtung vorgibt. Denn „Here Comes The War“, gegen den es die Stimme und Gitarren wie einst zu erheben gilt. Die Wut gegen die Zumutungen des „Systems“ ist ungebrochen, selbst in „Eyes Get Used To The Darkness“ keine Spur von Resignation. An die finsteren Zeiten mit Brexit und Flüchtlingselend (besungen in „Die Trying“) können und wollen sich New Model Army nicht gewöhnen.
Dabei hatte zuvor Support Brother Grimm in seinen dunkel pochenden Songs eher melancholische Töne angeschlagen. Ein Präludium, auf das New Model Army allerdings nicht einsteigen, es eher als „Teaser“ begreifen, gegen diesen düsteren Strom das Antidot zu liefern. Freilich nicht ohne Pathos wie in „Part The Waters“, aber das hatte die Band schon immer drauf, als würde Punk allein nicht genügen, um gegen das „System“ anzustinken. Diese Prise Poesie, auch in Protestsongs, ließ die Band schon immer aus dem Punk-Umfeld herausstechen und ist auf dem neuen Album konsequent weiter das Salz in der Suppe statt in den Tränen.
Insofern sind die neuen Songs kein resümmierendes Alterswerk, sondern der Marsch geht weiter – freilich nicht auf ausgetretenen Pfaden. Neue Wege sind gefragt, ohne die alten zu verleugnen. Beste Beispiele dafür sind Songs wie „Born Feral“ oder „Burn The Castle“. Die Empörung wie ehedem gegen den Neoliberalismus der Thatcher-Ära ist darin nach wie vor der treibende Motor, aber sie ist gleichsam gereift, differenzierter in der Musik wie in den Lyrics. Das Publikum marschiert gerne mit auf diesen neuen Wegen, auch wenn manche Punk-Frisur sichtlich grauer geworden ist. Aber das ist nur äußerlich, innen brennt die Wut bei vielen offenbar weiter, nicht aus Nostalgie, sondern weil sie New Model Army fordern.
So schwitzt man mit der „Army“ durch die wiederbelebten „Riots“, vergisst, dass die schon lange her sind, und nimmt mit nachhause, dass sich Melancholie und Wut nicht ausschließen, vielmehr gegenseitig befruchten. Und es stimmt optimistisch, dabei so altgediente und zugleich jugendfrische Kombattanten wie New Model Army an seiner Seite zu wissen.
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