Das Rap-Duo Audio88 & Yassin beendete seine „Halleluja“-Tour im Orange Club
Von Jörg Meyer
Kiel. Gäbe es sie nicht schon, die „Church of Hip Hop“ (in den USA – wo sonst?), so wäre sie jetzt gegründet, wenn die als Underground-Misanthropen bekannten Berliner Rapper Audio88 & Yassin in waschechte Soutanen gehüllt und vor illuminierten Kirchenfenstern ihr angenehm schmutziges Geschäft verrichten.
Im besser als jede Kirche selbst zu Weihnachten gefüllten Orange Club werden die winkenden Hip-Hop-Hände des Publikums zum „Halleluja“ stilecht (nämlich den Bier-Becher umklammernd) zu betenden. Was natürlich ähnlich sarkastisch gemeint ist wie die von DJ Breaque und Support-Rapper Torky Tork mit wut-schäumendem Beat-Bier unterstützten Songs. Letzteren wie schon denen vom Vorgänger-Album „Normaler Samt“ sagt die Szene-Presse nach, sie seien weniger garstig als noch auf dem „Herrengedeck“-Debüt. Keine Spur! Es sei denn, man verlegte sich wie Audio88 & Yassin darauf, dass der Zweck, gegen „Spasten“ und die ganz und gar unheiligen Vehältnisse zu stänkern, die Mittel heiligt. In dieser Hip-Hop-Kirche wird dem von der Gemeinde fromm mitskandierten „Amen!“ stets ein kräftiges „Nein!“ vorangestellt.
Ein Nein zu fast allem – etwa im kämpferischen und zugleich selbstironischen „K.R.A.U.M.H.“ („Kohle Regiert Alles Um Mich Herum“) gegen die Allmacht des Geldes. Ein deutliches Nein auch zu zweifelhafter Polizeigewalt in „Blaulicht“ oder in Fundamentalopposition zu den Stammtischpredigten vom „Hundestammbaum“. Denn „Die Erde ist eine Scheide“, aus deren Schoß immer noch mehr Böses als Gutes kriecht.
Was das Scheiden des Guten vom Bösen betrifft – wobei sie kaum etwas sehen, was nicht schröcklich stinkt im Staate D. –, sind Audio88 & Yassin tatsächlich religiös: Im alten Sinne des Wortes „religio“ gleich „ich bekenne“. „Was geht mit euch? Alle MCs sind Schmutz in Deutschland“, lautet die Hook-Line in „Schmutzige Rapper“. Denn man muss schmutzig bleiben, kann sich nicht verheiligen in all dem Schmutz rundum. Diese Aufforderung geht auch ans Publikum, dem das Duo und seine Ministranten nicht durchgehen lassen, dass das Tour-Finale „zum Easy-Listening-Konzert wird“. „Kiel! Könnt ihr durchdrehen?“ Ja, kann man auch im Norden – so sicher wie das „Nein und Amen!“ in der Kirche.
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