Auf Gut Seekamp zeigt René Goffin die Ergebnisse von Aneignung und Verwandlung indonesischer Webarbeiten

Von Hannes Hansen

(Fotos: Hannes Hansen)

Fotografiere man einen Menschen, der gerade den Blick senkt, zitierte René Goffin am Sonntag in den Räumen der Hans-Kock-Stiftung den britischen Kulturphilosophen Gilbert Ryle, könne man nicht entscheiden, ob sein Auge gerade zucke oder zwinkere. Das eine, sagte er in der Eröffnungsrede zu seiner Ausstellung „Zucken und Zwinkern“, sei ein purer Reflex auf einen Außenreiz, ein Angebot zur Kommunikation das andere.
Freilich ein kulturell und situativ vermitteltes und kodiertes Angebot, muss man hinzufügen. So kann das Zwinkern etwa in der einen Kultur einen Gruß bedeuten, in einer anderen Zustimmung signalisieren, wieder in anderer Umgebung ein geheimes Zeichen sein.

Kunst oder Handwerk – eine müßige Frage

Anlass für René Goffins Ausführungen war die auf Einladung der Bürgerinitiative Kulturpark Seekamp erfolgte Präsentation und Gegenüberstellung seiner Sammlung indonesischer Webarbeiten, die der studierte Ethnologe bei mehreren Aufenthalten in Indonesien erworben hat, mit darauf basierenden eigener Bildkunst.
Die Webarbeiten sind alles andere als naive Volkskunst, nämlich hochkomplexe kulturelle Zeichensysteme. Da dient etwa das Bild eines Menschen, bei dem jede Geste, jedes Detail seine eigene Bedeutung hat, dem Ahnenkult. Auf einer anderen Arbeit stellen die Reihen rhythmisierter, abstrakt anmutende Symbole auf einem Sarong gleichsam ein ausführliches Personendossier mit Angaben zu Herkunft, Stammesangehörigkeit, sozialem Status dar, wo sie dem fremden Blick des Europäers als Beispiele „schöner“ serieller Kunst erscheinen.

An solchen Beispielen wird  die gewohnte Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk, die wir in Europa seit der  Renaissance – mit Grenzüberschreitungen vor allem zur Zeit des Jugendstils und des Art Deco – kennen, hinfällig. Diese handwerklichen Arbeiten sind Kunst, diese Kunst dient außerkünstlerischen Zwecken, dem Kultus nämlich und der sozialen Kommunikation.

Aneignung und Anverwandlung

Den Webarbeiten gegenüber stellt René Goffin  seine Malerei. Wieder und wieder überzieht er  Standbilder seiner Filmaufnahmen von Reisen nach Indonesien mit lasierenden, stark glänzenden Farbschichten. Sie bilden Schlieren, Schleier, Farbwolken, hinter und unter denen die ursprünglichen Motive wie die Hände webender Frauen, ein Kopf, ein Boot, Fische nur gelegentlich zu erahnen sind. Und ganz im Sinne Gilbert Ryles fragt man sich, ob das nun „freie“ Kunst ist oder ob der kultische Hintergrund, der auf diesen Arbeiten durchzuschimmern scheint, nicht eine andere Interpretation nahelegt.

Es ist der Reiz dieser Ausstellung, dass sie eine solche Frage nicht beantwortet. So wird der Betrachter, ganz im Sinne von Joseph Beuys, Teil der Kunstwerks, ja, sein Mitschöpfer. Dass das intellektuelle Anstrengung bedeutet, lässt sich dabei nicht ändern.

Hans-Kock-Stiftung, „Zucken und Zwinkern“, bis 21.5. Öffnungszeiten Sa/So 14-17 Uhr. Am 30.4. um 15 Uhr und 21.5. um 14.30 Uhr führt René Goffin durch die Ausstellung.