Gayle Tufts als „Superwoman“ im an zwei Abenden ausverkauften metro-Kino
Von Jörg Meyer
Kiel. „Unsere Welt ist fucked up“, weiß Comedy-Star und Sängerin Gayle Tufts in ihrem sympathischen „Denglish“, dem parlierenden Sprachmix einer Amerikanerin aus Berlin. An einem Abend, an dem in Frankreich nicht nur eine Präsidentschaftswahl vorentschieden wird, sondern auch die Zukunft Europas, und die AfD weiter auf völkischem Rechtskurs bleibt, ist eine „Superwoman“ gefragt. Damit sind weder Marine Le Pen noch Frauke Petry gemeint, denn „eine Vagina macht noch keinen guten Menschen“. Vielmehr Wonder Woman, Lady Liberty und nicht zuletzt die Heldinnen des Alltags: Krankenschwestern, Lehrerinnen und … die Kartoffel.
Männer mit blonden Sturmfrisuren: „Oh My God!“ Bewusst überdreht entschuldigt sich Tufts auf Knien für – sie mag den Namen kaum in den Mund nehmen – Trump und Konsorten. „No one, die ich kenne, hat ihn gewählt!“ Als sie vor kurzem mal wieder in ihrem geliebten New York war, habe der Beginn von Frank Sinatras „My Way“, das zu Trumps Inauguration gespielt wurde, eine ganz andere Bedeutung bekommen: „And now the end is near.“ Deshalb jetzt erst recht gegen rechts: „We must positive denken in dieser crazy Welt of Bösegewichten!“ Dazu wölbt sich anstelle „S“ wie Superman stolz ein „G“ wie Gayle auf dem T-Shirt über ihren „Titten – no, wie sagt ihr …?“ „Möpse!“, tönt es aus dem natürlich männlichen Teil des Publikums im ausverkauften metro. Und das findet Gayle richtig gut, auch wenn sie dabei an „etwas like Loriot“ denken müsse.
Wie auch immer, Tufts macht stand-up-komisch und soul-sanglich eine gute Figur, gleich ob sie sich als „Wonder Woman“ stilisiert, wie einst als Kind unter Mary Poppins’ Regenschirm „Flying lernte“ oder in die US-Flagge gehüllt als Lady Liberty. Letztere ist Karikatur all der „shut the fuck up, ihr Patrioten-Idioten“ und Plädoyer für das, was die Frauen-Statue seit gut 130 Jahren verkörpert: die Ideale der Französischen Revolution, „Freedom, Gleichheit, Sisterlichkeit“. 46 Meter hoch sei sie, also ein Prachtweib, nur habe mancher Mann „problems with großen Frauen“. Das Monument der Freiheit mimt Tufts nicht als „Superwoman“, sondern „in white, red and blue“ als das, was die USA einst ausmachte, ein „freies Land ohne Grenzen und für alle“. Oder wie es die jüdische Dichterin Emma Lazarus nannte: „Mother of the Exiles“. Es hat etwas Rührendes, wenn Tufts dieses am Fuß der Lady Liberty eingravierte Gedicht zitiert und das Freiheits- und Geschwisterlichkeitsversprechen gegen alle Mauer- und Ausgrenzungspläne gegenwärtiger Politik in den USA und ihrer neuen Heimat Europa erneuert.
Neben aller Politik machen „frau“ aber noch andere Probleme zu schaffen. Gegen angeblich gesunde, aber vor allem sündhaft teure Grünkohl-Smoothies sowie den Fitness- und „Low Carb“-Wahn führt Tufts „the hero Kartoffel“ ins Feld. Gegen den der Jugend Adeles „When We Were Young“. Stimmlich ist das Cover, begleitet von Pianist Marian Lux, eigensinnig entfernt von Adele, von Geist und Seele einer starken, freiheitsliebenden Frau her aber ganz nah dran.
Infos: www.gayle-tufts.de
Schreibe einen Kommentar