Das Jazz-Quintett Nachtfarben gab sich im KulturForum rockig und romantisch
Von Jörg Meyer
Kiel. Aus Weimar und Leipzig kam das Quintett Nachtfarben an die Förde, beim 22. Konzert der Reihe „Fantastische Musik“ die zwei blauen Stunden zwischen Dämmerung und Einbruch der Nacht mit ebenso lyrisch-nordisch inspirierten wie rockigem Free- und Fusion-Jazz zu verzaubern. Dass dazu nur drei Händevoll Zuhörer ins KulturForum fanden, tat der Magie, die vor allem Anastasiya Volokitinas Scat-Gesang entfachte, keinen Abbruch.
Text hört man nur selten von der Sängerin, wenn, dann ist er wie in „Traum in Traum“ ungemein poetisch: „Each feel, each being is vision within a dream.“ „Jedes Gefühl, jedes Sein ist die Vision eines Traums“, könnte man es frei übersetzen und hätte damit auch schon ein Motto für das gesamte Konzert: Traum und Gefühl brauchen kaum Worte, nur die Silben der Seele. Doch wie schon angedeutet, die Nachtfarben nordlichtern nicht nur skandinavisch, sondern schlagen aus solchem „blue mood“ auch bewusst chaotische Funken. Bei Jazz höchst selten, bräuchte man hier manchesmal Ohrstöpsel. Oder setzt sich diesen träumerischen Infernos aus, die E-Bassist und Komponist Martin Bosch, Markus Rom an seiner sehnig zerrenden Gitarre, Jonas Timm auf luzide loopenden Piano-Tasten und Clemens Litschko am agilen Schlagwerk anzetteln.
Wie wild Romantik sein kann, zeigt Nastja in ihrem Gesang, den sie mittels elektronischer Loop-Maschine zu mehrstimmigem Chor erweitert. „Charon“ heißt das beeindruckendste Stück des Abends, wobei sie den Schiffer über den Styx nicht beim Namen nennt, gleichwohl seines Schiffleins Ruder durch die dunkelblauen Wasser brausen lässt. Was die Nachtfarben auf ihrer Klangpalette an gedeckten Blautönen anrühren, funkelt auf der breiten Leinwand fetten Sounds umso greller, ohne im Rock den Zauber der Romantik zu brechen.
Beides bedingt vielmehr einander, das Sanfte das Schroffe. In „Kerzen“, das Nastja als ihr Lieblingsstück bekennt, flackern selbige nicht, sondern lodern wie Fackeln. Und mit den in ihren lyrischen Klangfiguren an sich grüblerischen „Idealized Memories“ gelingt der Band ein furioses Finale – vor zwei genauso gefeierten Zugaben.
Hörproben unter www.nachtfarben.net
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