Kieler Kunsthalle zeigt die altmeisterlichen Bilder Anita Albus’

Von Hannes Hansen

„Eisvogel-Paar in einer Landschaft“ (Foto: Sönke Ehlert)

Kiel. Exakt 1.327 Stunden habe sie gebraucht, um das gerade einmal 23 mal 16 Zentimeter große Aquarell „Eisvogel in Landschaft“ fertigzustellen, vermerkt Anita Albus zu dem Bild, das man sich gut von Dürer, von Albrecht Altdorfer oder dem Flamen Joachim Patinir gemalt vorstellen könnte. Für ihre an der Malerei des fünfzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts orientierte Kunst mischt die Tochter einer Chemikerfamilie die Farben nach alten Rezepten selbst an, um ganz sicher sein zu können, dass sie den gewünschten Effekt erreicht. Zu Recht attestiert ihr die Kritik, ihre meisterlich gegenständlichen, einer großen abendländischen Tradition verpflichteten Arbeiten widersetzten sich dem Mainstream des modernen avantgardistischen Kunstbetriebes.

Ein Glücksfall

Stille Bewunderung (Foto: Marco Ehrhardt)

Auf dem Kunstmarkt ist Anita Albus nicht präsent. Keines ihrer Bilder, fast samt und sonders Vorlagen für Bücher, auch denen aus eigener Hand, kommt in den Verkauf. Ausstellungen hat sie nur sehr selten beschickt, und Anfragen von Museen nach möglichen Ankäufen wurden bislang abschlägig beschieden. Deshalb kommt es einem kleinen Wunder gleich, dass Kuratorin Regina Göckede und Direktorin Annette Hüsch das Werk der 74-jährigen Künstlerin und Schriftstellerin mit der Ausstellung „Die Kunst zu sehen“ in der Kieler Kunsthalle umfassend präsentieren können. Mittel der Karl-Walter und Charlotte-Breitling-Stiftung ermöglichten den Ankauf von 63 Werken, des Großteils der bis zum Jahre 2004 entstandenen Bilder.

Die Bewahrung der Schöpfung

Anita Albus’ Kunst ist aus der Zeit gefallen. Ihre Feinmalerei steht in diametralem Gegensatz zu fast allen Strömungen der gegenwärtigen Kunst. Mit unendlicher Akribie malt und zeichnet sie die Vorlagen zu ihrem eigenen schriftstellerischen Schaffen, zu Büchern wie „Das botanische Schauspiel“ (2007) oder „Von seltenen Vögeln“ (2005), von Kinderbüchern oder denen anderer Autoren.

Die Kunsthalle zeigt diese Bilder in drei durch temporäre Stellwände farblich differenziert gestalteten Kabinetten. Tiere und Pflanzen sind in den ersten beiden die Themen, und es scheint, als feierten die Bilder die verloren gehende Unantastbarkeit einer Schöpfung, die von Verwertungskriterien nichts weiß und nichts wissen will oder darf.

Frühwerk und Anklänge an den Surrealismus

„Der Zug im Meer“ (Foto: Sönke Ehlert)

Im dritten Kabinett ist das Frühwerk von Anita Albus zu sehen. Neben Zeichnungen zu einem Rebus etwa fallen vor allem seltsam verrätselte, an den Surrealismus erinnernde Bilder auf. Da spiegelt sich ein Haus mit brennendem Dachstuhl ganz unversehrt im Wasser, da braust ein Zug durch eine Meereslandschaft oder zeigt sich ein Wald, aus dem gleich ein Tiger des Protosurrealisten Henri Rousseau herausspazieren würde.

Bei solch hintergründigen Bildern liegt der Reiz in der Kombination (oder ist es ein „clash of cultures“?) von altmeisterlicher Technik und durchweg modernen Themen.

Fazit: Es lohnt die Mühe, an den Bildern Anita Albus’ die „Kunst zu sehen“ zu erproben. Sehr genaues Hinsehen wird empfohlen.

 

Kunsthalle Kiel: „Anita Albus – Die Kunst zu sehen“. Bis 27. August. Öffnungszeiten: Di – So 10 -18 Uhr; Mi 10 – 20 Uhr. Führungen Mi 18 Uhr, So 11.30 und 16 Uhr. Katalog 24 Euro.