Das folkBALTICA-Doppelkonzert mit dem Stockholm Lisboa Project und Alejandra Ribera begeisterte im KulturForum

Von Jörg Meyer

Kiel. Dass Musik über Grenzen hinweg verbindet und sich in ihren verschiedenen Traditionen gegenseitig befruchtet, ist eine Binsenweisheit. In einem gerade in der Krise befindlichen, wenn nicht vom Auseinanderbrechen bedrohten Europa ist es aber umso wichtiger, in Festivals wie folkBALTICA diesen Völker und Kulturen verbindenden Gedanken so lebendig werden zu lassen wie beim Doppelkonzert des Stockholm Lisboa Projects und der kanadischen Sängerin Alejandra Ribera im KulturForum.

Stockholm Lisboa Project: (v.l.) Simon Stålspets, Alice Andersson, Sérgio Crisóstomo, Rita Maria (Foto: Björn Olin)

4.000 Kilometer lang ist „die große Reise“ (Motto der diesjährigen folkBALTICA) zwischen Lissabon und Stockholm. Im Folk des Stockholm Lisboa Projects erscheint sie dennoch als nur ein Katzensprung quer durch den Kontinent vom Südwesten bis zum Nordosten. Wie nah sich die sprichwörtliche Schwermut des Fado und nordische Melancholie sind, wie nah aber auch Tanzbares – mit einem Zwischenstopp bei beschwingten Polkas –, demonstriert das SLP eindrucksvoll im Lead-Gesang von Rita Maria. Die Portugiesin hat den Fado mit der Muttermilch eingesogen, lebte und arbeitete aber auch in den USA und Equador, welche Einflüsse ihr Gesang nicht verleugnet. Ebenso verbunden in ihrem Instrumentalspiel sind der portugiesische Geiger Sérgio Crisóstomo und die Schweden Simon Stålspets auf der nordischen Mandola und die Saxofonistin Alice Andersson.

„Wir ergründen, was unsere Musiken und damit wir gemein haben“, benennt Rita Maria den Grundgedanken der Band. Diesen gelungenen Brückenschlag erweitert das SLP auch ins Keltische, das im Norden der iberischen Halbinsel manche historische Wurzeln hat. So entsteht ein Mix aus Folk-Traditionen, die unbedingt verwandt erscheinen und die Rita Marias Stimmgewalt wiederum im Fado („Fado singt man nicht nur, Fado ist man!“) so tief gefühlt fokussiert, dass aus dem Publikum ein beherztes „Bravo!“ echot.

Ferne und doch so nahe Wurzeln (argentinischer Vater, schottische Mutter, geboren in Toronto) und Singer-Songwriter-Traditionen vereint auch Alejandra Ribera in ihrem Gesang. Den verglich die Kritik mit Riberas „Teenager-Vorbild“ Joni Mitchell und mit Tom Waits oder Leonard Cohen – wegen ihrer im tiefen Register rauchig, hauchig, warmer Stimme erinnern wir uns hier sogar an Jazz-Ladies wie Nina Simone.

Alejandra Ribera und Bassist Cédric Dind-Lavoie (Foto: ögyr)

Im zweiten Teil des Konzerts stellt sie zusammen mit Cédric Dind-Lavoie (Kontrabass und Piano) und Jean-Sebastien Williams (Gitarre) ihre am Freitag in Deutschland erschienene CD „This Island“ vor. Auf eine „Insel“, ein Cottage in der Einsamkeit winterlicher Wälder Ontarios, hatte sich das Trio begeben, um das Album einzuspielen und damit Kontinente zu überbrücken. Die Innigkeit solchen Settings spiegelt sich in verhangenen Balladen („I Am Orlando“, „Blood Moon Rising“), aber auch in Tango-Avancen und losmarschierenden Americanas wie dem fröhlichen Mutmach-Song und Hit des Abends „Carry Me“. In letzterem geht es um das sich gemeinsam Halten und gegenseitig Tragen – ein (auch politischer) Appell, die Nähe in allen Fernen zu sehen, zu singen und zu sein.