Eindrücke vom Sommerfest in der Hansa48

Von Jörg Meyer

Kiel. „Nicht lang schnacken, sondern fackeln!“, ruft’s aus dem im Hof der Hansa48 dicht gedrängten Publikum, wenn zum krönenden Abschluss des Sommerfests der Feuerakrobat Art Petit seine Fackeln schwingt. Eben noch „zündelte“ der Flensburger mit der sprichwörtlichen Kühle der Norddeutschen, die aber die sonnabendliche Sommernacht längst herzerwärmt oder gar singer-songwriter-rockig erhitzt hat.

Das Duo Duva (Elena Schmidt-Arras und Nils Böttcher) verband musikalisch Feuer und Eis. (Fotos: ögyr)

Zu Beginn des traditionellen Abschieds des Kulturzentrums in die Sommerpause glüht die nicht nur akustisch, sondern auch optisch ansprechende Rhythmusgymnastik der Trommeltruppe Sambastards trefflich vor. Im kontrastreichen Wechsel mit Duva, dem Song-Projekt der Kieler Schauspielerin Elena Schmidt-Arras, sensibel begleitet von Nils Böttchers Elektro-Beats und Loops. „Eine Kombination aus Stadt und Land“ – man könnte auch sagen: urbanem Club-Sound und skandinavischer Volksliedtradition – nennt Elena ihre Lieder. Ihre kraftvolle Stimme ist dabei so feenhaft entrückt, dass man dem von elektronischer Spieluhr angefachten „Valts för min vän“ oder dem norwegischen „Sonnengebet“ andächtig verzaubert lauscht. Gegensätze ziehen sich hier magisch an wie Feuer und Eis – beleuchtet vom warmen Stubenlicht der Stehlampe hinter ihnen.

Erwachend – das Kieler Trio Henri Parker & The Lowered Lids.

Mit Temperatur-, besser: Temperamentsgegensätzen spielt auch das Kieler Bluegrass-Trio Henri Parker & The Lowered Lids. Eine Stunde haben sie auf der Holzbühne Zeit, ihr gesamtes Repertoire vom 2015 erschienenen Album „Sing the Book of Etiquette“ bis zu einigen neuen Songs darzubieten. Und beim Schnacken nebenbei – das macht das Familiäre der sachkundigen Hansa-Sommerfest-Zuhörer aus – erfahren wir, woher der Namenszusatz „The Lowered Lids“ kommt: Weil Sänger Henri immer die Augen schließt, etwa wenn er in „A Day Time“ über „das gnadenlose Älterwerden“ singt. Selbst wenn Gunnars Cello in diesem Downtempo ein sanftes Lied lispelt und Kris das Banjo mal etwas weniger jugendlich antreibend zupft, bleibt die Band folk-rockig und weit weg vom Rollator. Der folgende „Light Sleeper“ wirkt nämlich äußerst aufgeweckt, und so öffnen Schlaf und Wachen zugleich die Augen und Ohren dafür, dass das Trio den steilen Vergleich mit den Avett Brothers nicht zu scheuen braucht.

Aber vielleicht ist das nur so eine Redensart, wie sie das gleichnamige Quintett in seinem Hit „Lass gut sein“ anstimmt, wo es heißt: „Man hat uns geschworen, es sei warm hier.“ Ist es, wenn auch selten so im Norden. Ebenso der Empfang für die Freiburger, die sowohl „das geile Essen“ als auch die „kühlen Biere, von der Crowd zur Bühne gesurft“, loben. „Wenn das Leben nur (immer) so einfach wär’ und so spannend wie ein Kreisverkehr“, reimen die Deutsch-Popper zwar melodisch wärmstens eingängig, aber lyrisch so etwas tiefgefrostet wie die Metapher „Das Schicksal ist ein Pianist, und ich bin sein Klavier“. Ist es nicht eher umgekehrt in dieser dann doch noch flammenden Sommernacht?