Die Akademien am Theater Kiel begeistern mit dem Musical „Marina. Die kleine Meerjungfrau“
Von Christoph Munk
Kiel. Vom Schauspielhaus an der Holtenauer Straße konnte man sich am Sonntag direkt an die Spiellinie auf der Krusenkoppel versetzt fühlen. Denn das Geschehen hier führte wie die Aktivität dort in Unterwasserwelten. Und an beiden Schauplätzen steht die junge Generation im Mittelpunkt. Während dort noch bis zum Ende der Kieler Woche schöpferisch gearbeitet wird, präsentierten hier Akademien am Theater ein rundes, vollendetes Ergebnis: Die Uraufführung „Marina. Die kleine Meerjungfrau“ wurde mit großem, begeistertem Beifall bedacht.

Außenseiter einer materiell orientierten Gesellschaft: im Vordergrund: Marina (Anna Fechner, Mitte), ihr tanzendes Alter ego (Hannah Faust) und Jan (Hanna Laackmann). (Fotos: Olaf Struck)
Hans Christian Andersen stand mit seiner „Kleinen Meerjungfrau“ Pate. Doch die Librettistin Imke Wilden und der Komponist Bernd Wilden hielten sich bei ihrem Auftragswerk, einem Musical für die dem Nachwuchs gewidmeten Akademien am Kieler Theater, nur grob an das Handlungsgerüst des Kunstmärchens. Ihnen ging es nicht so sehr um die Wunschträume eines Mädchens vom Grund der See, das sich nach Liebe und nach einer ewigen Seele sehnt. Imke und Bernd Wilden konzentrierten sich auf den Gegensatz der fantastischen Welt unter Wasser zum realen, materialistisch orientieren Leben an Land. Marina, ihre Hauptfigur, scheitert nicht an rätselhaften Bestimmungen und zauberischen Kräften, sondern eher an den Abweisungen durch die Gesellschaft an Land. Sie, die Andere, die Außenseiterin, wird nicht in die Gemeinschaft aufgenommen. Sie darf den Menschenjungen Jan, der – anders als Andersens Prinz – ihre Zuneigung teilt, nicht lieben. „Du bist mein strahlender Stern“, wird sie am Ende besungen. Aber da ist sie schon wieder in der Ferne, gleichsam verglüht.
Auf diese Weise rückt die Geschichte aus märchenhafter Ferne näher an aktuelle Wirklichkeiten und dürfte so dem Zielpublikum aus der jungen Generation fassbarer erscheinen. Und so werden auf der Bühne eindrucksvoll realisierte Kontraste geschaffen: Stefanie Klie bietet dazu einen geschickt gestaffelten Raum an, der die Übergänge vom Meeresgrund zur Erdoberfläche leicht nachvollziehbar macht. Sabine Keils einfallsreiche Kostüme setzen dem kalt grauen Kleidungsstil zu Land farbenprächtige, von Flora und Fauna inspirierte Gewänder der Unterwasser-Wesen entgegen. Und Regisseurin Nele Tippelmann kostet alle diese Möglichkeiten aus, um leuchtende Bilder, temporeiche Aktionen, aber auch intime, anrührende Momente auf die Szenerie zu zaubern.

Farbige Gestalten unter Wasser: Marina (Mitte), ihre Schwestern und die Gouvernante in vierfacher Gestalt.
So bietet diese Produktion vielfache Gelegenheiten, im markanten Spiel kraftvolle Talente zu entfalten. Dominiert wird die Aufführung durch Bernd Wildens von unterschiedlichen Stilen beeinflusste und doch eigenständige Magie atmende Musik: große, weit schwingende symphonische Klänge, eingängige Melodien, wechselnd und kontrastierend mit energiegeladenen, harten und zündenden Rhythmen. Wildens Kompositionen sind ideal geeignet, die jungen Instrumentalisten der Orchesterakademie unter der souveränen, hellwachen Leitung von Moritz Caffier auf professionelles Niveau zu führen. Gleichermaßen überzeugend agiert Caffiers Kinder- und Jugendchor. Und da die Dramaturgie großen Tableaus Raum gibt, kann auch Victoria Lane Greens Ballettakademie den hohen Standard ihres Könnens zeigen – von der liebevoll arrangierten Gruppenchoreografie bis zum imponierend vorgeführten Solotanz (Hannah Faust und Moritz von Villebois).
Einen verdient reichen Anteil am anerkennenden Applaus sichern sich die Solisten, die ihre Aufgaben in Spiel und Gesang tadellos meistern: Anna Fechner als Marina, Hannah Laackmann als Jan und Martha Schmalz als Jans Freundin sowie Pauline Kringel, Hannah Ortlepp und Hanna Liza Conrad als Marinas Schwestern. Bis hinein in die kleinste Rolle erscheint die gesamte Aufführung getragen von der temperamentvollen Spielfreude aller Akteure. Mehr noch: In jedem Moment sind bedingungslose Hingabe und ernsthafte Leidenschaft für die künstlerischen Herausforderungen zu spüren. Das dürfte nicht nur Generalmusikdirektor Georg Fritzsch als Vorsitzender der Akademien und den Hauptsponsor Kunststiftung HSH Nordbank freuen. Das begeisterte ebenso das deutlich von Familie und Freunden dominierte Premierenpublikum.
Termine und Info: www.theater-kiel.de
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