Die Allstars des Blues im Norden bei der 6. Kieler-Woche-Blues-Nacht

Von Jörg Meyer

Kiel. Stehvermögen braucht man für all die Allstars, die bei der 6. Kieler-Woche-Blues-Nacht in wechselnden Besetzungen nicht weniger als vier Stunden lang Blues, Boogie und auch dem guten alten Rock’n’Roll huldigen. Fast schon ein kleines Festival hat Organisator und Moderator HaGe „Schlemmi“ Schlemminger hier wieder auf die Rathausbühne gebracht.

Alte und junge Allstars im Blues-Dialog: Daffy Deblitz (l.) und Kalle Reuter (Foto: ögyr)

Wie sich alte und junge Meister die Staffette des Blues weiterreichen, erlebt man gleich zu Beginn, wenn „17 auf 71 trifft“, namentlich Abi Wallenstein mit seiner auch optisch vom Blues gegerbten Gitarre auf den jungen Kieler Kollegen Kalle Reuter. Letzterer stand hier schon vor zwei Jahren mit den „alten Männern“ auf der Blues-Bühne. Im Wechselspiel mit Wallenstein und kurz danach auch Daffy Deblitz sowie mit den Lokalmatadoren und mehrfachen Blues-Weltmeistern Georg Schroeter (Piano) und Marc Breitfelder (Mundharmonika) wird schon mal der Kurs für den Marathon bis zur Mitternacht abgesteckt. Und für diese innigen Momente, wo je zwei der Meister weniger im Wettstreit als im Dialog sind, wo ein „Wort“ das andere gibt wie beim Bluesharp-Ping-Pong zwischen Marc Breitfelder und dem Eutiner Kollegen Jens Jordan.

Da treffen auch vielfältige Spielarten des Blues aufeinander, etwa wenn die im besten Sinne „schwarze“ Stimme von Keith Dunn sich mit der von Lars Vegas und seinen Love Gloves in deren treffend „Deltabilly“ genanntem Rockabilly-Sound mischt. Dass Blues und Boogie auch swingen können, beweist das Trio Boogielicious mit dem vierten Mundharmonika-Spieler im Blues-Bunde, „Doc“ Bertram Becher. Die Brücke zu Swing und Soul schlägt auch die Sängerin Cleo Steinberger, am Boogie-Piano begleitet von Günther Brackmann. „Zwischen Chili und Samt“ changiert ihre kraftvolle und zugleich sanfte Stimme, so beschrieb sie ein Kritiker treffend.

„Blues ist die Wurzel von allem, und deshalb hängt auch alles mit allem zusammen“, meint ein ebenso sachkundiger wie beseelter Zuhörer nach zwei Dritteln des Marathons. Und ergänzt sich zu allem, könnte man hinzufügen, als sich nun die letzte blaue Stunde über den Rathausplatz senkt. „Deep blue“ tut sie das buchstäblich, wenn sich vor der abschließenden Session mit weiteren norddeutschen Allstars wie dem aus Kiel stammenden Gitarristen Jan Mohr die Bluesharp-Giganten Marc Breitfelder und Keith Dunn ein Stelldichein geben. Eben noch hat Abi Wallenstein mit einer bluesigen Version von Prince’ „Kiss“ die Menge stellenweise zum Tanzen gebracht. Doch jetzt wird der Blues geradezu kontemplativ, wenn nicht sogar zum innigen Gebet. „Zum Niederknien“, wie die beiden Mundharmonika-Poeten Keith Dunn und Marc Breitfelder sich umschmeicheln, einander befeuern, mal rau, dann wieder ganz zart. Der schönste Moment in dieser an solchen reichen Blues-Nacht.