Beim Iron Slam in der Carlshütte wurde munter das Wort verhext

Von Jörg Meyer

Büdelsdorf. „Manchmal spür’ ick Lürick“ nennt der Berliner Slam-Poet Micha Ebeling seine dadaistischen Lautgedichte. Manchmal erspüren auch Theresa Hahl und Bente Varlemann das Lyrische des Text(ver)drängens. Und zwischen solche Manchmals sät beim zehnten Iron Slam in der Carlshütte Special Guest Helge Albrecht sein nord- und plattdeutsches „Moin“ des Textes.

Vor der rostig rot angestrahlten Ruine des ehemaligen Hochofens wird unter der bewährten Moderation von Björn Högsdal geslamt, das Publikum zur Wertung aufgefordert. Ob mit Schraubengewicht fürs Gedicht in den Wahlurnen nach der Vorrunde, im Applausometer im Duo-Finale zwischen Hahl versus Ebeling oder beim betörenden Schlüsselklingeln zu Theresas letztem Gedicht.

Theresa Hahl (Fotos: ögyr)

Obwohl am Ende eindeutig Hahl die Iron-Krone trägt, sind hier alle Sieger. Vor allem das Wort: Das wilde, das wirre, das betende, das blühende, dies das wie Luther heiße Eisen schmiedende und das an milder Glut sich entzündende. Slam ist in der Carlshütte zum zehnten Mal der Hort der ganz Großen, die sich auf die kleinteilige Hexerei der Wortkunst verstehen.

Immer ein Augenzwinkern der Dichter und Dichterinnen – natürlich sind wir keine, aber wir lassen die Sau raus zwischen den Zeilen und fangen sie wieder ein im Gehege der Verse und der Geschichten. Als ein Erzähler letzterer bekennt sich Micha Ebeling. Eigentlich Oldschool, erste Generation des Poetry Slams, die vom Klassentreffen erzählt. Wo die einen „mein Haus, mein Boot, meine Frau“ vorlegen, sticht Micha solche Karten mit dem Pik-As aus bissigen Widerworten. Witzig, kabarettistisch, aber auch ein bisschen nostalgisch kommt er seiner Generation auf die Spur – legt sie ihr.

Bente Varlemann

Zwischen ihm und gerade noch Youngster Theresa steht Bente Varlemann. „30“ titelt einer ihrer Texte, der berichtet von Scheidewegen, wo frau einerseits zu jung eingeschätzt wird für die Lesebrille, andererseits zu alt für eine Schwangerschaft. Und wie soll solches „Zwischen“ funktionieren in der heimatlichen Heimatlosigkeit und „Biedermeierschrankwand aus Natur“ des Teufelsmoors, an der schon Paula Modersohn-Becker verzweifelte?

Solche „Distanz im Fernwald, am Wendekreis der Wirklichkeit“ hat auch Theresa Hahl am Wickel, arbeitet sich daran schreiend, singend, scattend wie ihr Teenie-Vorbild Ronja Räubertochter ab, während Helge Albrecht das Renten-Problem zwischen Rummelpott und Boßeln verortet.

Micha Ebeling

Welches ist das Fazit in diesem dichterischen, slammenden, freiheitlichen Gefühl, wenn Micha Ebeling keine geringere als die Frage nach der Theodizee aufwirft? Was hat sich Gott gedacht, als er Menschen schuf, die er aus dem Paradies vertreiben und in der Sintflut ertränken musste? Vielleicht ist er nur ein Slammer, der seine und der Menschen Lyrik spürt.