Sommerkonzert des Kammerorchesters Schleswig in Gettorf
Von Jörg Meyer
Gettorf. Man kann selbst in Zeiten allgegenwärtigen Crossovers und „Pop meets Classic“ darüber streiten, ob es sinnvoll ist, Soul-Hits wie „It’s Raining Men“ für Streichorchester zu arrangieren. Michael Becker, Leiter des Kammerorchesters Schleswig, macht das dennoch recht arriviert, wie das Sommerkonzert des Ensembles in der Gettorfer St. Jürgen Kirche zeigte.
Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ ist schon von der kompositorischen Anlage her nicht an Tasteninstrumente gebunden, daher bildet die „Fuge Nr. VIII“ aus selbigem einen angemessenen Konzertauftakt, bei dem das Kammerorchester durchsichtige und präzise Polyphonie entwickeln kann. Im einzigen Originalwerk für Streichorchester, Edward Elgars dreisätziger „Serenade e-moll, op. 20“, glänzt es mit spätromantischem Streichererschmelz, wenn auch die Intonation gerade in den tiefen Streichern zuweilen etwa „verregnet“ erscheint. Ein bisschen Nachstimmen hilft dem aber sogleich ab und tut der impressionistischen, aber zugleich burlesken Stimmung im „Passepied“ aus Claude Debussys Suite „Bergamasque“ sehr gut.
Michael Becker widmet in seinen Arrangements dem tiefen Streicherregister erhöhte Aufmerksamkeit. Der Bordun-Bass der Celli wirkt zu Beginn von Joaquin Rodrigos berühmtem „Concierto de Aranjuez“ daher besonders sonor, geradezu bedrohlich pochend. Auch der stockende Atem des Bandoneons in Astor Piazzollas „Libertango“ lässt sich so trefflich auf Streichinstrumenten abbilden. Der Tango-Rhythmus „klickt“ in den Pizzicati, wendet sich geheimnisvoll in weit ausholendem Strich und steigert sich am Ende zu sinfonischer Gewalt. Das gelungenste Arrangement und Stück des Abends, das nach reichlich Beifall als Zugabe wiederholt wird.
Vorher kehrt man aber nochmal zum Streicherschmelz zurück – in Alexander Glazunovs „Chant du Menestrel“, bei dem Michael Becker das Dirigentenpult mit dem Solo-Cello tauscht, auf dem das Lied wunderlich sanft in den Abend schwingt. Letzterer strahlt nun auch außerhalb der Kirche wieder sommerlich golden, und die Regenmänner aus „It’s Raining Men“ sind wie das Konzert rundum in, wie man so schön sagt, „trockenen Tüchern“.
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