Sommerkonzert mit Annette Markert in der Eckernförder St. Nicolai Kirche
Von Jörg Meyer
Eckernförde. „Lascia ch’io pianga – lass mich mit Tränen beweinen“, beklagt „Rinaldo“ in der gleichnamigen Oper sein Schicksal. Händels wohl berühmteste Arie kommt beim Sommerkonzert in der St. Nicolai Kirche gleich zu Beginn zu Gehör, allerdings in der rein instrumentalen Fassung, gespielt aus der „Rinaldo-Suite“ von Mitgliedern der Staatskappelle Halle. Die Altistin Annette Markert stellt weniger bekannte Arien aus Opern und Oratorien Händels in den Mittelpunkt. Dabei gestaltet sie eindrucksvoll die Affekte zwischen wehmütiger Klage wie in „Priva son“ aus „Giulio Cesare“ und dem wütenden Aufbegehren der Juno gegen ihre Nebenbuhlerin „Semele“, aus welcher Oper die Rache-Arie „Awake, Saturnia“ stammt.
Die großen Gefühle lässt die Sängerin auch in geistlichen Arien wie Bachs „Bekennen will ich seinen Namen“ aufeinander treffen. In Telemanns Kantate „Siehe, es hat überwunden der Löwe“ meint man „Sünd und Satan“ handgreiflich zu hören, wie sie die arme Seele „in ihren letzten Zügen bekriegen“. Annette Markert und die sechs Musiker aus der Händel-Stadt Halle erweisen sich als versierte Kenner des in Musik gegossenen barocken Lebensgefühls, indem sie solche Extreme klangmalerisch zuspitzen – am deutlichsten in den gegensätzlichen Arien „Piangete“ und „Augeletti“ aus Händels Auferstehungsoratorium „La Resurrezione“. In ersterer, der Klage Marias unter dem Kreuz, schweigen die Geigen, denn noch ist der Himmel verschlossen, und die dunklen Timbres des Abgrunds dräuen aus Basso continuo und Bratsche. In der zweiten Arie ist es umgekehrt, die düstere Erdenschwere weicht dem himmlischen Licht, das die Geigen symbolisieren.
Doch in Händels weltlichen Arien lassen sich Wut und Wehmut noch kontrastierender gestalten. Annette Markerts facettenreicher Alt läuft hier zu schauspielerischer Hochform auf. Und hat auch mal den Schalk im Nacken, wie bei der wütenden Liebesklage des Arsace aus der Oper „Partenope“. Man habe jenen nämlich gerade beim Fremdgehen erwischt, erläutert Markert augenzwinkernd den Kontext – „da hält sich unser Mitleid in Grenzen“.
Mit ebensolchem Witz folgt das Kammerorchester „Don Quixote“ in Telemanns gleichnamiger Suite, seinen wehmütigen Liebesseufzern genauso wie dem wütenden, aber gleichfalls vergeblichen Kampf gegen Windmühlen. Ein kammermusikalisches und zugleich „opernhaftes“ Kabinettstück, das wie Annette Markerts Gesang mit lang andauerndem Beifall bedacht wird.
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