Avi Avital und Chen Reiss schlugen beim SHMF Brücken zwischen Klassik und Folklore
Von Jörg Meyer
Plön. „Ponte Vecchio“ ist das passende Motto für das letzte von 20 Konzerten Avi Avitals, des Artist in Residence beim SHMF. Zusammen mit der israelischen Sopranistin Chen Reiss, Lukasz Kuropaczewski (Gitarre) und Dávid Adorján (Cello) folgt der Mandolinist in der Plöner Nikolaikirche nämlich einem „meiner Hauptthemen“, dem Brückenschlag zwischen Folklore und Klassik.
Solchen versuchten auch schon Rimsky-Korssakoff, Ravel, de Falla, Bloch, Albéniz („Asturias“ in einer herausragenden Interpretation von Lukasz Kuropaczewski), Villa-Lobos, Donizetti und nicht zuletzt Schubert, indem sie sich von Volksliedern inspirieren ließen. Steve Goss und Avi Avital haben sie für die Quartett-Besetzung bearbeitet, Ernest Blochs „Nigun“ aus „Baal Schem – drei Bilder aus dem chassidischen Leben“ für Mandoline solo. Letzteres begeistert das Publikum nicht nur wegen Avitals Virtuosität, sondern auch weil man darin seine innige Verbundenheit zum jüdisch-sephardischen Liedgut spürt.
Die teilt auch Chen Reiss in der Uraufführung von fünf „Liedern auf Ladino“, der Sprache der im 15. Jahrhundert aus Spanien über den gesamten Mittelmeerraum vertriebenen Juden. Von der sehnenden Elegie über burlesken Tanz bis hin zum sanften Schlaflied werden die Lieder, „die uns von Kindheit an begleiteten“ (Reiss), zum Kunstlied, ohne dass ihnen dabei die urtümliche Lebendigkeit verloren geht.
Ein Brückenschlag, der in umgekehrte Richtung auch bei Schuberts „Forelle“ und dem „Heidenröslein“ gelingt. Selten hat man das „Fischlein“ so munter springen und das „Röslein“ so keck stechen gehört, bevor es der Jüngling bricht. Das Kunst- wird hier wieder ganz Volkslied, begleitet von stürmisch-herzlichem Applaus.
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