Das Trio Zimmermann brillierte in der Klosterkirche Bordesholm mit Ravel, Schönberg und Bach

Von Jörg Meyer

Bordesholm. Johann Sebastian Bach habe seine „Goldberg-Variationen“ für den unter Schlaflosigkeit leidenden russischen Gesandten am Dresdner Hof geschrieben, so geht die Legende. Das Trio Zimmermann (Frank Peter Zimmermann, Violine, Antoine Tamestit, Viola, und Christian Poltéra, Cello) bewies jedoch in der Klosterkirche Bordesholm mit seiner Version für Streichtrio, dass die „Aria mit verschiedenen Veränderungen“ ganz und gar nicht als Schlaflied taugt.

Trio Zimmermann: (v.l.) Frank Peter Zimmermann, Christian Poltéra, Antoine Tamestit (Foto: Mats Bäcker)

Es sei denn, man definiert Schlaf anders, nämlich als einen Zustand in einer Zwischenwelt, in einem diesseitigen Jenseits, das Zeit und Raum seltsam dehnt oder – kontrapunktisch – im Augenblick verdichtet. So vielleicht ließe sich beschreiben, wie das Trio mal ätherisch schwebend, dann wieder mit geradezu ruppiger Bodenhaftung Bachs komplexen Klangkosmos sich und dem Zuhörer neu erschließt. Wo Bach die Formen des Kanons und der Variation präzise durchdekliniert, sozusagen als „absolute Musik“, präpariert das Trio mit flirrendem wie – im doppelten Wortsinne – herzhaftem Strich die seelischen Dimensionen heraus.

Letztere interessierten auch Maurice Ravel in seiner „Sonate für Violine und Violoncello“, die in der Interpretation von Zimmermann und Poltéra im Spannungsfeld zwischen Impressionismus und Expressionismus steht, ebenso also in einer Zwischenwelt. Ein unbekanntes Land, in das neue Klangkoordinaten eingeschrieben werden: klickende Pizzicati, rauer Strich versus leidenschaftlich entrückte Pianissimi.

Als konzertdramaturgisches Bindeglied zwischen Ravel zu Beginn und Bach im zweiten Teil fungiert Arnold Schönbergs „Streichtrio op. 45“, ein Spätwerk, das Schönberg nach der traumatischen Erfahrung eines Herzinfarkts komponierte. Als „eines der schockierendsten Stücke der Moderne“ führt es Zimmermann ein. Und dieser „Schock“ ist dann auch zu hören, wenn das Trio den Reigen dramatisch wüster Ausbrüche und geisterhaft aus dem vorerinnerten Nichts herüberwehender Walzeranklänge bilderstark musiziert. Dass der Beifall dafür verhaltener als später bei Bach ausfällt, mag an der hier bestürzenden Nähe von Dies- und Jenseits liegen.