Jürgen von der Lippe lästert an vier ausverkauften Abenden im metro-Kino
Von Jörg Meyer
Kiel. Wer hat den größten, den längsten – und wenn nicht, doch den besten Witz? Wenn Jürgen von der Lippe im an vier ausverkauften Abenden (der erste am Sonntag) im metro-Kino im Schloßhof aus seinem neuesten Opus Jokosus „Der König der Tiere“ weniger liest, als drum herum zu ka-lauern, dann lacht sich das Publikum den Größten, Dicksten und Längsten schlapp.
Denn „Thema Nr. 1“, namentlich Sex, ist für den im tiefst katholischen Aachen aufgewachsenen Jürgen immer noch der sechste Teil der Beichte, wo der jugendliche Sünder zu bekennen hatte, wessen er sich „unverschämt – an sich selbst oder mit anderen“ schuldig gemacht habe. Sex „sellte“ also schon im Beichtstuhl. Und statt 30 „Vater Unser“ und 40 „Ave Maria“ betet der ehemalige Knabe als 69-jährig Hartgesottener zur Absolution nun die schmutzigsten Witze, die ihm schon damals ein- und auffielen, herunter.
Das ist durchaus subversiv, lachverhaftend zudem, denn wie F. W. Bernstein sagte: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“ Womit wir beim Thema „Tiere“ sind und bei von der Lippes Titelgeschichte seines neuesten Humor-Bandes, aus dem er eigentlich vorlesen will, gäbe es da nicht noch witzigere, aktuellere Witze. Inspiriert von Äsops Fabeln, dekliniert er den gesamten Serengeti-Park vom sex-süchtigen Bonobo bis zur „tuntigen“ Giraffe durch, wer denn der König der Tiere sein könnte, weil er den längsten und „so ’n Hals“ habe.
Und hat damit gleich die aktuelle Politik am Wickel: Die Kampagne für Kanzlerkandidat Martin Schulz als Sexsymbol oder Westentaschen-Chuck-Norris wäre mit Jürgens Macho-Sprüchen sicher erfolgreicher, zum Beispiel so: „Wenn Martin Schulz mit der Bahn fährt, kommt er zu früh!“ Oder: „Martin Schulz trinkt seinen Kaffee schwarz – ohne Wasser!“
Dass derlei Lachstürme hervorruft, liegt einerseits an Martin Schulz’ linkischem Auftritt, andererseits an Jürgen von der Lippe, der gesteht, dass er mit Plauze nie zum Traummann, geschweige Kanzler taugte – wie keiner, der gute Witze statt leerer Wahlversprechen macht. Da ist der Comedian im ehemals Hawaii-Hemd, jetzt eher großkariert, doch lieber der wortgewandte Lästerer mit „behaartem Hintern in der Hose“.
Der xenologophile (Liebhaber von Fremdworten) Germanist erfreut sich und uns an der Prosopagnosie (Gesichtserkennungsschwäche) Brad Pitts, eigener Prokrastination (hübscher Text darüber, wie man einen Text nicht zustande bekommt, doch genau darüber textet) und anderen Zivilisationsleiden, die nur einer heilen kann: Nicht der „König der Tiere“, der den Längsten hat, sondern der mit dem doofsten Witz, über den man am längsten lacht.
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