Herbstkonzert des LandesJugendEnsembles für Neue Musik im Audimax der FH
Von Jörg Meyer
Kiel. „Lassen Sie sich von diesen sehr lauten Klängen nicht erschrecken“, empfiehlt Rüdiger Bohn, der neue Leiter des LandesJugendEnsembles für Neue Musik, bei James Tenneys „Form 1 in memoriam Edgar Varèse“, mit dem das 2009 im Rahmen von „chiffren“ gegründete Ensemble sein Herbstkonzert im gut besuchten Audimax der Fachhochschule Kiel fulminant beschließt.
Und in der Tat sind die Klänge der zwölf jungen Musiker, aufgestellt im Rund um das Publikum, fast schmerzhaft laut. Aber keinesfalls ohrenbetäubend, sondern vielmehr diese öffnend für das akustische Phänomen von Kombinationstönen, die erst ein so extremes Fortissimo hervorruft. Das Werk ist ein schönes Beispiel dafür, wie in der Neuen Musik aus der Form und der Physik von Klängen starke Emotionen entstehen, hier vom Schmerz bis hin zur Berauschung.
Auch Isang Yuns „Pièce concertante“, mit dem das Ensemble den koreanischen Komponisten zu seinem 100. Geburtstag ehrt, entwickelt aus der formalen Struktur heftige Gefühle. Yun schrieb das Stück 1976 im West-Berliner Exil, neun Jahre, nachdem er vom südkoreanischen Geheimdienst entführt und wegen Landesverrats verurteilt worden war. Die Verzweiflung in der Haft, aus der Yun erst nach internationalen Protesten freigelassen wurde, ist besonders in den verschatteten Glissandi spürbar.
Emotional positiv besetzt der Yun-Schüler Toshio Hosokowa Einsamkeit und schmerzende Stille in seinem „Interim“ für Harfe (Swantje Wittenhagen) und Kammerensemble. Wie bei der Kontemplation in einem Zen-Garten geht es in diesem aus scheinbarem Stillstand die Bewegung schöpfenden Stück um den ruhig fließenden Rhythmus des Atems oder von zartem Wind und Wellen.
„Eine Welt fließender Farben“, so Rüdiger Bohn, entfaltet der Schweizer Komponist Valentin Marti in seinen „Euphotic Circles“. Der Titel ist treffend, denn als „euphotisch“ bezeichnet man die oberste, vom Licht durchdrungene Sphäre eines Gewässers und fühlt sich auch hier wie von farbig schillernden Klängen des Sopransaxofons (Chiara Paulsen) durchflutet.
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