Die Kunsthalle Kiel entdeckt mit Gustav Wimmer einen fast Vergessenen

Von Hannes Hansen

Gustav Wimmer, o.T.
(Foto: Sönke Ehlert)

Kiel. Caspar David Friedrich? Nein eigentlich nicht, obwohl die Einsamkeit, die den standbildhaften Figuren auf den Bildern Gustav Wimmers eingeschrieben ist, ebenso an ihn erinnert wie die bevorzugte Rückenansicht, in der der Maler sie präsentiert. Aber der Nebel, der über den Bildern zu liegen scheint, die ganz auf kühle Farbtöne reduzierte Palette, die manchmal an surrealistische (Alp-) Traumwelten erinnernden Landschaften, das Verschwinden der Figuren im Bild, all dies spricht eine andere Sprache als die des Greifswalder Romantikers, eine dezidiert moderne. Freilich einer Moderne ganz eigener Art, die ihn mit anderen weitgehend Vergessenen wie etwa Georg Schrimpf und anderen Malern der Neuen Sachlichkeit verbindet, ohne dass seine Bilder deren Umkreis zugeordnet werden könnten.

Georg Schrimpf, o.T.
(Foto: BPK)

Der 1877 in Stettin geboren Gustav Wimmer, den es nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Verlust eines Großteils seiner Werke nach Kiel verschlug, wo er 1964 verstarb, gehört zu den fast vergessenen Künstlern nicht nur des Landes. Dass er ausgesprochen zurückgezogen lebte und sich wohl auch kaum an Ausstellungen beteiligte, wird neben der Tatsache, dass er an einem Realismus ganz eigener Art zu einem Zeitpunkt festhielt, als realistische Kunst für Teufelswerk gehalten wurde, der Grund dafür sein.

Traumatische Erlebnisse

Gustav Wimmer, o.T.
(Foto: Sönke Ehlert)

Kuratorin Maren Welsch, die mit der Ausstellung „Gustav Wimmer. Bilder ohne Namen“ ihn für die Kunsthalle Kiel dem Vergessen entreißt, hält traumatische Kriegserlebnisse und die Schrecken der Nazizeit für seine Vereinzelung und die Alptraumlastigkeit seiner Bilder verantwortlich. Sie ordnet die siebenundvierzig Ölgemälde und diesen täuschend ähnlichen Papierarbeiten in Mischtechnik – unter ihnen siebzehn Werke aus dem Besitz des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, die als Dauerleihgabe in der Kunsthalle verbleiben – in vier Motivgruppen an: Wald, Wasser (Meer und Fluss), Porträts und Stillleben.

Allen Bildern sind typische Merkmale gemein. Da ist einmal die kühle Palette der Grün- und gebrochenen Brauntöne, über denen ein Dunstschleier oder ein Gazegewebe zu liegen scheint. Keinerlei künstlerische Handschrift, keine Peinture ist auf den Bildern des Mannes, der die Künstler des Expressionismus ablehnte, dafür aber seinen pommerschen Landsmann Caspar David Friedrich verehrte, zu erkennen. Sorgfältig, in penibler, mühevoller und zeitaufwendiger Feinarbeit tilgt Gustav Wimmer die Spuren des Malvorgangs. Und ob seine Figuren sich nun im Wald oder am Wasser, in dunkler Nacht oder an einem trüben Tag bewegen, immer sind sie statuarisch vereinzelt, hölzern leblos. Manchmal scheinen sie, winzig klein, im Bild zu verschwinden.

Gustav Wimmer, o.T. (Kopf eines Mädchens)
(Foto: Sönke Ehlert)

Einsam, undurchdringlich sind auch die wenigen Porträts, die die Kunsthalle zeigt. Sie wirken nicht einmal rätselhaft, eher verschlossen. Ob sie ein Geheimnis verschließen, ist ihnen nicht anzusehen. Und die Stillleben sagen: Das hier bin ich. Eine Blume in einer Vase und ein (Salben?-, Schmink?-, Fett?-) Topf. Wir haben nichts miteinander zu tun. Und mit dir, Betrachter, auch nichts. Du bist mir fremd, wir dir ebenso.

Fazit: Ob das nun große Kunst ist? Ja, wer das wüsste. Die Bilder eines fast Vergessenen öffnen immerhin den Blick auf eine Kunst jenseits jeden Mainstreams. Anschauen!

Kunsthalle Kiel: „Gustav Wimmer. Bilder ohne Namen“. Eröffnung: Fr., 22.9., 19 Uhr. Bis 28.1.2017 Di – So 10 – 18, Mi 10 – 20 Uhr