Hendrik Neubauer und die Hans Dylan Band mit „#LaMer – Das Große Blau“ im Antiquariat Diderot
Von Jörg Meyer
Kiel. Vor drei Jahren ist der Kulturjournalist und Autor Hendrik Neubauer, bekannt unter anderem durch seine zusammen mit Arnd Rüskamp verfassten Küstenkrimis, vom Rhein ans heimische Ostseemeer zurückgekehrt. Dort ergriff ihn „Das Große Blau“, das man gelegentlich auch an der Förde sieht, sogleich wieder. Und Charles Trenets Chanson „La Mer“, das selbiges vor gut 70 Jahren so lyrisch sehnend auf den Punkt brachte.
Mit Trenets bluesig ins ewige Blau rauschendem Lied eröffnet dann auch das Programm „#LaMer – Das Große Blau – Lyrik und Lieder“, das Neubauer zusammen mit der Hans Dylan Band (Uli Rottgardt, Gitarre, Gesang; Ralf Böhnke, Bass) rund um Trenets Azur gewoben, besser: angeschwemmt hat und im Bücherhafen des Antiquariats Diderot anlandet. Doch wie kann man diesen „Everblue“ heute wellen lassen (auf Französisch, Englisch, Dänisch und sensibel nachgedichtet auf Deutsch), wo die überfischten Meere im profanen Plastikmüll ertrinken wie in ihm die Flüchtlinge auf dem rettungslosen Weg nach Europa?
Neubauers Gedichte schwelgen dennoch (selbst-) bewusst wie einst Brecht, der in den „Buckower Elegien“ selbst „in den finsteren Zeiten“ nicht von einem naturlyrischen und daher politischen „Lied über Bäume“ lassen konnte und wollte, im Wellenschlag der Jugenderinnerungen an Tage am Meer. Unvergessen und dadurch wie Ebbe und Flut ewig sind sie, wenn sich die nixische „Schlei-Diva“ in „Dahinten ist Meer“, dem Song zum Küstenkrimi, immer „mehr, mehr, mehr“ vom Meer um- und berauschen lässt.
Doch – „Wahrschau!“ – aufgemerkt und den Horizont erweitert: „Das Meer ist genauso schön, wie es grausam ist“, weiß Neubauer. Und gerade in diesem Dualismus schwingt es in „#LaMer“ zwischen Faszination und Beängstigung, in jener Hassliebe, die sonst nur erfahrene Seeleute Poseidons Reich ehrfürchtig anerbieten. Strömt es einst in „neuen Gezeiten“ an unsere Strände – per Klimawandel immer öfter die Deiche überspringend? Oder anders wie von Neubauer provokant gefragt: „Kann Poesie Klima-Ängste kanalisieren?“
Wohin, könnte man entgegenfragen. Oder: „Was passiert, wenn ein Fisch die Oberfläche küsst?“ Wie wird’s, wenn die Fische, statt abgefischt zu werden, selber fischen im dadaistischen Meer eines Lautgedichts? Man erahnt es in Neubauers Lyrik: „Das Meer ist da, immerblau, riesengroß, pausenlos!“ und fließt immerdar – bis zu Prince’s „Purple Rain“.
Wo andere auch nur mit Wasser kochen, machen es Neubauer und die Hans Dylan Band nicht und doch ganz anders. Selten ist vom Meer, dem „Großen Blau“, so Blaue-Blume-romantisch und zugleich so wenig blauäugig gesungen und gedichtet worden. Und das ist wohl ganz im Sinne von Charles Trenet und seiner Ode an „#LaMer“.
Hendrik Neubauer liest Texte aus „#LaMer – Das Große Blau“ am Literaturtelefon Kiel
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