Das Budapester A-cappella-Quintett Jazzation begeisterte beim Kunstflecken

Von Jörg Meyer

Neumünster. Mit einer Hommage an seine Heimatstadt an der Donau und zugleich an den Blues vom Mississippi eröffnet das A-cappella-Quintett Jazzation sein Konzert beim Kunstflecken in der fast ausverkauften Werkhalle und breitet damit gleich zu Beginn den ganzen stilistischen Fächer von Jazz-Standards bis zum Folksong.

Reisen von Budapest aus rund um die Klangwelt – Jazzation: (v.l.) Katus Várallyay (Sopran), Máté Homor (Bass), Georgina Kanizsa (Alt), Attila Fábian (Tenor), Sára Bolyki (Sopran) (Foto: Zsolt Rokolya)

Das ungarische Pest megér egy estet“ hebt mit ruhigen, folkigen Harmonien an, doch schon kurz danach swingen die Scats von Georgina Kanizsa (Alt), Katus Várallyay und Sára Bolyki (beide Sopran) auf den Donauwellen, während Máté Homor (Bass und Beatbox) und Attila Fábian (Tenor) dazu eine Brass-Kapelle mimen, die auch aus dem Dixieland stammen könnte. Ein weiter Brückenschlag von Bartók bis zum Blues, aber auch eine klangliche Symbiose wie die allesamt Ausnahme-Stimmen im geradezu lasziv entspannten Groove von „Dream A Little Dream Of Me“ zeigen.

Weniger relaxt, weil unmittelbar begeistert ist schon da der Applaus, und die Bravos folgen sogleich für die stimmliche wie sprachliche Meisterleistung in „Kadjama“, einem taiwanesischen Volkslied, das die fabelhaften Fünf von ihrer Konzertreise dorthin mitgebracht und behutsam ins Swing-Idiom übersetzt haben. Es bereitet einen weiteren Sprung über die halbe Weltkugel vor – zum wundervoll Bossa-säuselnden „Dindi“ vom Latin-Meister Antônio Carlos Jobim.

Und weiter loten Jazzation die Kontraste aus. Das „Cherry Tree Carol“ entführt mit Renaissance-Harmonien in eine ganz andere Sphäre, eine geradezu biblische, wenn Maria statt durch einen Dornenwald durch einen Kirschblütenhain streift. Wem das zu ruhig ist, wird mit einem flinken Tripp zum Mond in „Fly Me To The Moon“ auf Fuß-Mitwipp-Trab gebracht. Der schwerelose Swing ist auf dieser Reise so beschleunigt, dass dem Zuhörer fast ein wenig schwindelig wird. Nicht minder bei „Twisted“, wo die Silben noch schneller fliegen als die Scats. Mit offenem Mund sitzt man auf der Stuhlkante, staunend, mit welcher rhythmischer Präszision und zugleich Lockerheit Jazzation auf solchen Swing-Wellen surfen.

Und wieder geht’s übers weite Meer – in der anmutig traurigen Irish-Folk-Ballade „An Emigrant’s Daughter“, worin das Quintett den Abschiedsschmerz innigst gestaltet. Ein Gänsehautmoment wie in dem beeindruckendsten Stück des Abends: Den „Moldvai Folksong“ singt Sára Bolyki als Lead-Stimme barfuß, das schaffe „mehr Erdung“ für dieses moldavische Liebesleidlied, in dem die litanei-artigen Seufzer einer dorrenden Rose zu enormer Stimmpracht aufblühen, bis sich die Trauer im ungestümen Wirbel des Tanzes und den brausenden Wellen des Beifalls auflöst.

Infos und Hörproben: www.jazzation.com