Saitenwexel und Sophies Schrott Show rockten in der Hansa48 wie einst „gegen Abriss“

Von Jörg Meyer

Kiel. 35 Jahre ist es her, dass die Hausbesetzer der Hansa48 „drin bleiben“ durften. Die Gleichgesinnten im Sophienblatt und der Herzog-Friedrich-Straße verloren letztlich den Kampf gegen die Immobilienspekulanten und „Kaputtbesitzer“. Aber was heißt schon verloren? Zwei „Haus-Bands“, Sophies Schrott Show und Saitenhieb, gaben den Besetzern damals eine (punk-) rockig revoluzzende Stimme, die sie beim Konzert in der Hansa48 noch einmal erheben.

Saitenwexel ohne die Seiten zu wechseln: (v.l.) Stefan Ikert, Jürgen Ceynowa, Stephan Suckow, Hans „Willi“ Hansen und Jürgen Gern (Foto: privat)

„Hausbesetzung war das Lebensgefühl einer Zeit, die heute kaum noch vorstellbar ist“, sagt einer der ehemaligen Hansa-Besetzer zur Einführung des CD-Release-Konzerts von Saitenwexel. Die Band (ehemals Saitenhieb) um Sänger Hans „Willi“ Hansen hat neun Songs „restauriert“ und neu aufgenommen. Doch von Retro- und Revoluzzer-Romantik keine Spur. Der Hansa-„Haus-Song“ „Wir bleiben drin!“, der den widerständigen Marsch durch die Institutionen zum Erhalt des Hauses und heutigen Kulturzentrums Revue passieren lässt, klingt so frisch und kämpferisch wie einst.

Nicht anders Sophies Schrott Show, Anfang der 1980er Jahre „Haus-Band“ im Sophienblatt. Sänger Roland Schneider spielte die alten Audio-Kassetten seinen Kindern vor, und die sagten: „Papa, das ist geiler Scheiß, den musst du wieder machen!“ Und so dürfen wir funky bis bluesige Songs wie „Ruhe nach dem Sturm“ wiederhören, worin das melancholische „nach“ auch ein kämpferisches „vor“ erneut aufruft.

Lebensgefühl von damals unverstaubt gegenwärtig auch in Saitenwexels Opener „Keine Lust mehr“. Keine Lust auf Zeiten, wo „Knete ist Freiheit … Geld ist Macht“, kann man gerade heute wieder haben. Insofern haben die neu eingespielten Agit-Rock-Songs nichts von ihrem Revoluzzer-Potential eingebüßt, selbst wenn sich die Band – angesichts der G20-„Krawalle“ – in „An Archie“ von den darin zündelnden „Mollies“ distanziert, weil sie jegliche Gewalt ablehne. Es sei denn die Wort-Gewalt gegen das inzwischen globalisierte Kapital, gegen das man „Hart am Wahnsinn“ und „Alles versucht“ damals wie heute „Laut sein“ muss – und gemeinsam mit dem mitsingenden Publikum auch ist.

Infos über die Kieler Hausbesetzergeschichte und Hörproben unter saitenwexel.de. Dort kann man auch die CD bestellen.