Konstantin Wecker begeisterte im Schloss mit seinem Jubiläumsprogramm „Poesie und Widerstand“

Von Jörg Meyer

Kiel. „Empört euch, wehrt euch!“, wettert Konstantin Wecker drei Stunden lang im fast voll besetzten Schloss gegen die herrschenden Verhältnisse. Kein Patriot will er in solchen sein, „nur“ Poet. „Poesie und Widerstand“ heißt daher sein Programm, das er sich zu seinem 70. Geburtstag vom und auf den Leib geschrieben hat.

Keine Rückschau, sondern die beständig widerständige Warnung vor dem wieder aufstehenden Faschismus gleich am Anfang. „Sag’ nein und misch’ dich ein!“, so die Parole des Liedermachers und Poeten, der sonst für Parolen nichts übrig hat. Poesie aber kann – könnte … Eine utopische „Möglichkeitsform“, wie Musil sie nannte und Wecker sie kraftvoll aus tiefster Überzeugung singt. Dass man „als demokratischer Liedermacher nicht mehr in d-moll singen“ könne, weil die drei Töne des Akkords auf A-F-D lauten – ein hübsches Aperçu. Denn eben jener Eröffnungssong, er ist von 1991, aber leider wieder aktuell, steht gegenan und widerständig in d-moll.

Konstantin Wecker (Foto: Thomas Karsten)

Warum singt Wecker immer noch, sich und uns aufzuwecken? Weil er „ein Lied hat“, eines der ersten, das er komponierte, früh altersweise, so dass es noch heute für sein Schaffen gilt, „als hätte sich seine Stimme über ihn hergemacht“. Noch immer tut sie das, treibt ihn an, macht ihn, den nur der Zahl nach 70-Jährigen, zum poetischen Derwisch zwischen Liedermaching, Rock, Pop, Protestsongs – und Liebesliedern. Die Liebe, als erfahrene, durchlittene, als die zum Nächsten und daher Anvertrauten, ist sein Antidot gegen die zusehends fremdenfeindliche, kriegerische, ausbeuterische Welt. Sie ist das poetische Gefühl, das er in verletzte Worte metzt als immer Suchender, kaum Findender und damit im besten Sinne Anarchist.

Und wenn daraus seine fünfköpfige Band nicht minder poetisch-balladeske, bluesig-jazzige, kämpferisch Brecht/Weill-tönende Moritaten bis hin zu hymnisch-symphonischen Momenten macht, dann steht da ein Werk, das Wecker so sicher nicht bezeichnen würde. Denn „Werk“ hat etwas von vollkommen und beendet. Beides ist er auch mit 70 nicht. „Nicht am Anfang, nicht am Ende, sondern mittendrin“, singt er aufmüpfig gegen seine und die heurigen Zeiten, deren Kind er doch ist wie das seiner antifaschistischen Eltern, von denen er bezaubernd berichtet. Ein, zwei, drei Leben scheinen auf, widerständig in ihrer Poesie.

Und er weiß – in seinen Meisterjahren – wie er dieses Gefühl für Poesie als Widerstand weitergibt an die Nachgeborenen. So steht auch der Kieler Heinz Ratz auf der Bühne, singt davon, wie man sich von der Härte nicht verhärten lassen soll, und hat mit Wecker das „Büro für Offensivkultur“ (offensivbuero.de) gegründet, eine Eingreiftruppe gegen die Unkultur von AFD et al.

Politischer Aktivismus? Kaum, eher ein poetischer, der Künstler vereint gegen den wieder sein Medusenhaupt erhebenden Faschismus. Gegen den darf auch fröhlich gebluest, geboogiet, gerockt und ge-bolerot werden – die Faust gereckt zum „Viva la liberta!“ Romantik? Klar und trotz alledem!

Am Ende steht das ganze Publikum auf dafür und singt einverstanden zur Melodie von Beethovens Neunter: „Lasst uns jetzt zusammen stehen / es bleibt nicht mehr so viel Zeit, / lasst uns lieben und besiegen / wir den Hass durch Zärtlichkeit.“. Dem sind nur Zugaben hinzuzufügen.