Alligatoah und Sebel gingen im ausverkauften Schloss in den Untergrund
Von Jörg Meyer
Kiel. Ein Kanalarbeiter des Rap war Alligatoah immer schon. Für seinen selbstironisch so genannten „Fäkalhumor“ fand er im ausverkauften Schloss am Freitag dann auch die passende Bühne. Im Blaumann und gelben Gummistiefeln waten Alligatoah und sein Hammond-Orgel-Spieler Sebel durch einen Kanaltunnel, in dem – symbolisch – die Abwasser des Mainstreams fließen.
Dagegen gilt es auf der mit „Akkordarbeit 2017“ betitelten Akustik-Tour buchstäblich anzustinken, sich dabei im bewusst pubertären Humor lustvoll zu suhlen und den Reim „Willst du dir ’nen Namen machen, musst du auf die Straße kacken“ gleichsam wörtlich zu nehmen. Eine seltsame Rap-Baustelle ist das freilich, ein im doppelten Wortsinne komischer Kanal, durch dessen Kakao Alligatoah seine Songs zieht, die großenteils vom (nicht mehr ganz) aktuellen Album „Musik ist keine Lösung“ stammen. Das Publikum kann die meisten Hook-Lines textsicher mitsingen, obwohl es sich in den Plüschsesseln des Konzertsaals ein wenig deplatziert vorkommt.
Aber solche Verwirrungen und Doppelbödigkeiten zettelt Alligatoah gern an, freut sich sichtlich über das Setting, das den Underground so bildhaft mit dem Overground verbindet. Drunten wird gesudelt, droben beinahe seriös am (selbst-) ironisch auf die Schippe genommenen Pop gewerkelt. Das Bauarbeitschild deutet Alligatoah zum Beispiel so: „Da sticht jemand auf ein schwarzes Dreieck ein, ist aber selbst in einem roten Dreieck gefangen. Das ist ein Sinnbild für unsere Gesellschaft.“ Natürlich auch ein Kalauer, der einige Heiterkeit erzeugt. Genauso, wenn Alligatoah zu Sebels bluesiger Orgel den Beat auf ein Absperrgitter trommelt.
Munter fließen so die Genres überm und unten im Abwasserkanal zusammen, verquirlen sich Rap, Pop, Blues, Boogie und Jazz zu etwas anderem als einer Einheitssoße. Hier wird nicht „Scheiße gebaut“, man geht nicht „gemeinsam den Bach runter“ und „lässt auch nichts liegen“. Wie in einer großen Klärgrube werden „Liebeslieder recyclet“ und Singer-Songwriter-Rap mit Bluesharp und Blockflöte – solche Instrumentenpaarung zaubert Alligatoah aus dem Blaumann – zu veritablem Orgel-Blues.
Das darf man drunten im Rap-Sumpf wie auch droben im Pop-Himmel, an dem der Mond scheint, genießen und zum (vor Zugaben) abschließenden „Trauerfeierlied“ ganz romantisch das Handy-Feuerzeug aufflammen lassen.
Schreibe einen Kommentar