Sehr frei nach den Gebrüdern Grimm: „Hänsel und Gretel“ als Märchenspiel im Kieler Opernhaus
Von Christoph Munk
Kiel. Der Weg durch den finsteren Wald ist weit und gefährlich für die beiden Geschwister in dem Märchen „Hänsel und Gretel“. Aber auf der Bühne des Kieler Opernhauses ist er noch viel länger, aber auch unterhaltsamer und abenteuerlicher als in der schlichten Vorlage, die die Gebrüder Grimm einst niederschrieben. Denn Annika Hartmann und Jens Paulsen lassen in ihrer Bearbeitung für die Kieler Bühnen ihren von vielerlei Motiven genährten Einfällen freien Lauf. Es passiert ungeheuer viel, bis die Hexe besiegt und ein glückliches Ende erreicht ist – zum Vergnügen der Kinder und Erwachsenen bei der Premiere im Kieler Opernhaus.
Die Geschichte von den Kindern, die sich im Dickicht verirren, um schließlich beim Knusperhaus der Hexe zu landen und dort in höchste Gefahr zu geraten, wird in der Kieler Theaterversion in einem großen Bogen eingekreist. Sie beginnt diesmal gleich im Hexenhaus, wo plötzlich die kleine Fee Goldflöckchen, genannt Goldie (Claudia Friebel), knuspernd und knabbernd im Innern und damit in die Fänge von Hexe Theodora und Wolf Rufus landet. Knapp entkommen, begegnen ihnen das pummelige Feenkind Hänsel (Martin Borkert) und Gretel (Nurit Hirschfeld). Die beiden werden freilich nicht vom Vater weggeschickt, sondern brechen ganz freiwillig in den Wald auf.
Von nun an gleicht das Stück einer Abenteuerreise. Denn nach romantischer Tradition treffen sich zwischen Bäumen und Lichtungen allerlei wunderliche, aus Natur und Imagination gewachsene Figuren: Krötenkönig Adalbert und sein Gefolge an seinem grünen Brunnen, ein sprechender Fliegenpilz, Waldemar, Waldwichtel und Holzschnitzer; und natürlich eine ganze Schar von Feen um ihre Königin Silberglanz. Erst wenn Gretel und ihre Begleiterin Goldie auf ihrer Wanderung allen diesen Zaubergestalten begegnet sind, werden sie Hänsel, der inzwischen von der Hexe gefangen gehalten wird, befreien können.
Jule Dohrn-van Rossum gestaltet mit wunderbar ausgeschmückten Kostümen und in plastisch zwischen Realismus und Magie changierenden Räumen eine Bilderbuchwelt. Darin belebt Regisseur Jan Steinbach seine dramatisch angereicherte Erzählung mit munterem, flüssig vorangetriebenem Spiel und gelegentlich mit putzigen Slapsticks. Elena Schmidt-Arras (Feenkönigin / Hexe), Felix Zimmer (Wolf / Waldwichtel / Fliegenpilz) und Siegfried Jacobs (Vater / Krötenkönig / Schokoladenkönig) zeigen in vielerlei Gestalten wandlungsfähiges Spiel. Und die Lieder von Bettina Rohrbeck und die Tänze (Komposition: Bettina Rohrbeck, Choreografie: Viola Crocetti-Gottschall) sorgen dafür, das Geschehen in gutem Tempo und voll heiterer Poesie abschnurren zu lassen. Dazu ist das freudige, schwungvolle Ende von einer wesentlichen Botschaft durchdrungen: Wenn der Gifttrank des Vergessens überwunden ist, können Phantasie und Abenteuer weiter bestehen.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
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