Julia Engelmann mit ihrem neuen „Poesiealbum“ im Kieler Schloss
Von Jörg Meyer
Kiel. „Ich bin Julia und schreibe Gedichte – und manchmal sing’ ich auch.“ So stellt sich die derzeit erfolgreichste deutsche Poetry Slammerin im fast ausverkauften Kieler Schloss vor, greift in die Hosentaschen und lässt Konfetti fliegen wie danach über zwei Stunden lang die Verse.
Das Konfetti, von dem im Lauf des Abends ein ganzer Eimer voll im siebenten Himmel über Bühne und Publikum landet, ist Julia Engelmanns Markenzeichen. Wie bei Sternschnuppen dürfe man sich dabei etwas wünschen, sagt die Poetin mit Girlie-Charme und inzwischen auf ihrem Anfang November erschienenen „Poesiealbum“ auch Sängerin. Letzteres hätte sie sich nie zu wünschen gewagt, gesteht sie, die einst als „stille Poetin“ galt und nur privat auf der Gitarre klampfte. Jener „stille Poet, der nicht an sich selber glaubt“, wohne jedoch „in jedem von uns“, heißt es zur (Selbst-) Ermutigung gleich im zweiten Song. Denn „Grüner wird’s nicht“, sich begleitet von den beiden Multiinstrumentalisten Martin Ziaja und Lukas Berch auch mit Gesang auf die Bühne zu wagen.

Selfie im Konfetti-Regen: Julia Engelmann im Kieler Schloss (Foto: www.facebook.com/juliaengelmannofficial)
Über die Qualität des letzteren mag man geteilter Meinung sein. Auf jeden Fall aber lockern die Songs den pausenlosen zweistündigen Abend auf, setzen Gedankenstriche, Kommata und Semikola in den Wortfluss der manchmal episch langen Gedichte mit ihren Poetry-Slam-typischen Kaskaden von Daktylen. Oder mit Julias Worten: So ein Poesieabend sei wie eine Weinprobe, bei der man zwischen den verschiedenen Weinen eine Kaffebohne kaue, um die Geschmacksnerven zu neutralisieren. Als solche „Kaffeebohnen“ taugen die recht artig und konventionell vertonten Gedichte unbedingt.
Aber jetzt tost erstmal der alte Wein aus neuen Schläuchen im „Gangsta-Rap des Abends“. Ausgehend von Jugend-Modeworten wie „nice“ und „hangry“ (eine Mischung aus „hungry“ und „angry“, wie sie den Älteren erklärt) rast Julia von A bis Z durch die in den Social Media wohlfeilen Anglizismen, spießt sie auf und nimmt sie aufs Korn. Das ist große Slam-Kunst, haut mächtig auf die Konfetti-Pauke und versöhnt im irrwitzigem Silben-Tempo mit mancher langatmigen Elegie über „Menschen, die mir nahestehen“. Und wie als Kommentar dazu heißt es im folgenden Lied „Ich bin kein Model-Mädchen“: „Jeder ist auf seine Weise gut genug und auch perfekt.“
Weise gedichtet – und wissender als die längliche Frage-Viertelstunde, in der wir Julia „auch ganz persönliche“ Fragen stellen dürfen, worauf sie giggelnd aus dem Nähkästchen plaudert. Und weil’s so schön war und der Abend so schnell vorüberging – jedenfalls aus Julias Sicht – folgt man ihrem „Abspann“ mit stehend tanzenden Ovationen unterm finalen Konfetti-Regenbogen.
Infos und Hörproben: www.juliaengelmann.de
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