Kurt Krömer mit seinem Programm „Heute stimmt alles“ im Kieler Schloss
Von Jörg Meyer
Kiel. „Wat sind det für Typen, die hier in Kiel zu Kurt Krömer kommen?“, möchte der Berliner Komiker wissen, bevor er sich im bewussten Verstoß gegen alle Regeln des Kabaretts und der Comedy zum Affen macht. Allein, „det Licht ist zu hell, ick seh’ euch nich’. Ihr seid für mich ’n einzjes schwarzes Loch.“ So wird das Publikum gleich zu Anfang in bekannter Manier der selbst ernannten „Kackbratze“ angepampt. Und der zweite Streich folgt sogleich: „Ick komm’ mal runter, mal sehen, wat die Katze vor die Tür jelegt hat.“
Der Platz in der ersten Reihe ist dabei heute ziemlich sicher, denn Krömer holt sich seine „Opfer“ verschmitzt aus den hinteren Reihen. Ein Thomas wird ins Scheinwerferlicht gezerrt, brüderlich umarmt und dann ausführlichst abgeknutscht. Versöhnung mit dem Publikum? Keinesfalls, denn dann wäre der Titel des Programms, „Heute stimmt alles“, nicht stimmig. Und es gibt ja auch genügend Aufreger. Etwa Verkäufer in Baumärkten, die so „chamäleonartig gut an die Farbe der Regale angepasst sind“, dass man sie nicht sieht. Natürlich „machen die det extra“, um ja keinen Kundenkontakt zu haben. Über sowas kann sich Krömer herrlich aufregen. Noch mehr aber über einen Tischler aus dem Publikum, der offenbar die unterschiedlichen Zahnungen von Kreissägeblättern nicht kennt und darob entsprechend geschurigelt wird. Überhaupt: Handwerker! Sich gegen deren Unpünktlichkeit und Pfusch zu erzürnen, ist zwar wohlfeil, aber keiner kann das so Gift und Galle verspritzend wie Kurt Krömer.
Und noch weitere Missstände kriegen ihr ranziges Fett weg, neben der Bauruine Berliner Flughafen auch Kirchenväter, die vor Asylmissbrauch warnen. Krömer: „Die wissen, wovon sie reden, kennen sich ja mit Missbrauch aus.“ Und dann gibt’s ja auch noch bösartige Nachbarn, welche die blaue Tonne klauen, sowie Müllfahrer, denen man den gelben Sack nachtragen muss, weil man sich behördlich in einem „Sacksammelgebiet“ befindet. Ein Wort, das Krömer sich und uns auf der Zunge zergehen lässt. Noch schlimmer sind nur Veganer, die sich in Reformhäusern überteuerte Produkte andrehen lassen. Oder „heimlich bei McDonald’s einkaufen – mit so ’ner verkniffenen Miene, wie ick früher Pornos gekauft habe.“
Apropos Porno: Auch den kann Krömer bieten. Eine Parodie auf die Chippendales und ein Meisterwerk des Fremdschämens, wenn er sich das Hemd aufknöpft, „weil et hier oben so heiß is’“, und sich genüsslich die verschwitzte Plauze knetet. „Oh nee, ’ne!“, gruselt sich da manche Frau im Publikum angenehm unangenehm berührt. Genau solche bewussten Decouvrierungen des so genannt guten Geschmacks beherrscht Krömer perfekt. Irgendwann zündet er sich auf offener Bühne – „in der Garderobe darf ick nich’“ – eine Zigarette an. „Sind Schwangere im Raum? Ja? Dann geht doch kurz raus!“.
Denn das „Stänkern“ gegen alles und jeden, nicht zuletzt sich selbst, will sich der 43-Jährige „bis zum Tod“ nicht verbieten lassen, auch wenn ihn seine eigenen Gags inzwischen einholten. Zum Beispiel die früher nur fensterverglaste Brille – jetzt mit Gleitsichtgläsern, durch die man „jarnüscht mehr“ sehe. Freilich noch genug, um wie kein anderer seiner Zunft das Genre selbst permanent zu dekonstruieren und ad absurdum zu führen.
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