Alan Ayckbourns schräge Komödie „Ab jetzt“ in einer lustigen Version im Kieler Schauspiel
Von Christoph Munk
Kiel. Die Roboter sind unter uns, ganz selbstverständlich in unserem Alltag, beispielsweise als computergesteuerte Staubsauger oder Rasenmäher. Dann sind sie unverwechselbare Apparate. Was aber, wenn sie Menschen täuschend ähnlich sehen? Dann taugen sie zauberhaft als Figuren eines heiteren Boulevardstücks, wie der englische Theatermeister Alan Ayckbourn mit „Ab jetzt“ schon vor über 30 Jahren vorführte. Und jetzt bemüht sich das Kieler Schauspiel um die Science-Fiction-Komödie – in einer Inszenierung von Harald Weiler, die eher die lustigen als die zivilisationskritischen Aspekte des Texts vorführt.

Zoe/GOU 300F (Agnes Richter) führt Geain (Olga von Luckwald) vor. Im Hintergrund: Jennifer Böhm, Jasper Diedrichsen. (Fotos: Olaf Struck)
Nach ein paar Minuten der Premiere schon mündet bereitwilliges Dauergelächter des Publikums in wohlfeilen Zwischenapplaus. Den hat sich Jennifer Böhm wahrlich verdient, denn sie schlenkert und zuckt sich virtuos durch alle Proben und Pannen der Roboterpuppe GOU 300F. Eine bravouröse Präsentation einer weiblich attraktiven, aber technisch fehlerhaften Haushaltshilfe. Gegen die Kunstfigur macht ihr Hersteller und Partner Jerome Watkins keinen Stich. Denn Oliver E. Schönfeld setzt weder Körper, noch auf Kante, um die brisanten Nöte dieses Technik-Freaks und Künstlers sichtbar zu machen.
Dabei brennen dessen Probleme: Sein Wohn-Werkstatt-Heim (Bühne: Norbert Ziermann) muss festungsartig gesichert sein, weil draußen die gewaltbereite Mädchengang „Töchter der Finsternis“ die Gegend terrorisiert. Drinnen herrschen gemäßigtes Chaos und emotionale Leere, seit Ehefrau Corinna (wiederum Jennifer Böhm) mitsamt der gemeinsamen Tochter Geain vor der Lieblosigkeit des Komponisten geflüchtet ist, der für seine Computermusik Realtöne und Geräusche ausbeutet. Und jetzt hat sich auch noch im Streit um das Sorgerecht für das Kind ein Vertreter des Jugendamts angesagt. Vor alldem lässt Schönfeld seinen Jerome weitgehend unberührt. Er gibt stattdessen den behäbigen Bürger.
Immerhin taucht alsbald Zoe auf, jene Schauspielerin, die Jerome engagiert hat, um vor Ehefrau und Fürsorge die Verlobte in einer heilen Familie vorzugaukeln. Nächste Gelegenheit für eine darstellerische Bravour, die noch ein bisschen raffinierter ausfällt. Denn Agnes Richter gibt die beängstigend aufregende Performance einer neurotischen Aktrice, deren Störungen – weil sie menschlicher Natur sind – weit mehr irritieren als die technisch bedingten Fehlsteuerungen von GOU F300. In deren Neuausführung schlüpft Zoe später. Sie trägt dann eine praktische, aber entzückende Dienstmädchen-Uniform (Kostüme: Christine Hielscher), in der männliche Schöpferfantasie erkennbar wird: Künstlichkeit und Domestizierung.
Mechanisch wiederholte Sätze, Bewegungen, die ins Leere laufen, Gänge gegen die Wand und immer mal haarscharf neben die Tür – das sind die Effekte, an denen sich das Publikum erheitert. Feiner Slapstick und gut kalkulierte Situationskomik eben bringen diese Komödie über ihre in Weilers Inszenierung auffallenden Längen. Da ist Jasper Diederichsen, der den Jugendfürsorger gekonnt zappelig zum Unbeholfenheits-Akrobaten stilisiert, ebenso hilfreich wie Olga von Luckwald als ruppig zum Kampf-Punk gesteigerte Tochter Geain.
Worüber aber lacht der Zuschauer? Vor allem über die Unzulänglichkeit der Automaten. Vom ernsthaften Thema unter der lustigen Oberfläche behandelt Weiler wenigstens einen Aspekt: Zoe als Gou F300 gelingt es rabiat und herzlos, das böse Kind in ein braves Mädchen zu verwandeln – auch wenn dabei in der Küche geräuschvoll einiges zu Bruch geht. Spezialauftrag überraschend gelöst. Kann die Maschine das besser als der Mensch? Ein skeptischer Blick in die Zukunft. Doch Ayckbourns schwächlicher Held Jerome Watkins kapiert noch immer nichts. In einem etwas bombastisch aufgeladenen Finale bastelt er weiter egoman an seiner technoiden Komposition und beutet euphorisch das Wort „Liebe“ aus. Einsamkeit statt Familienglück – endgültig.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
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