Jörg Jará mit der Premiere seiner „Puppen-Therapie“ im ausverkauften KulturForum
Von Jörg Meyer
Kiel. Mit Transaktions-Analyse ist der aus Flensburg stammende Psychologe Jörg Jará im Brotberuf beschäftigt. Als Comedy-Puppenspieler und Bauchredner treibt er diese Profession im ausverkauften KulturForum bei der Premiere seines neuen Programms „Puppen-Therapie“ auf die künstlerische Spitze.
Jene Therapie hätten „die Kieler besonders nötig, der Doktor kommt gleich“, greint Erwin Jensen noch aus dem Off wie aus dem Bauch und lädt ein zur ersten Entspannungsübung: „Locker bleiben, Hände und Schultern ausschütteln!“ Schon darüber schüttet sich das Publikum aus vor Lachen, wenn der alte Mann, in neuen Medien wenig gewandt, bei „neuen Mädchen“ schon, sich als „Twitter-Faxer“ outet. Dabei weiß die Puppe, der Charakter, den Jörg Jará mit nur wenigen gestischen Bewegungen zum prallen Leben erweckt, dass er nur ein Artefakt aus versierter Muppet-Baukunst ist. „Können diese Augen lügen?“, fragt er, der sie „technisch bedingt nicht schließen kann“.
Dennoch dieser Zauber, den Jará seinen Puppen zugleich des- wie illusionierend einhaucht. „Wir sind nur Schaumstoff“, klagt Jensen und ist so lebendig als transaktions-psychologischer Puppen-Pessimist, dem jedes Glas, in das er tauchen und sich „vollsaugen“ könnte, nur halb leer ist. „Weight Watchers lügen, ich hab’ da angerufen, und niemand hat abgenommen“, kalauert der garstige Alte – und frisst(et) ansonsten, running Gag, Nüsse. Oder krault sich dieselben, wenn er nach dem Auftritt „lieber aus als in der Kiste“ beständig seinen Senf dazu gibt.
In der Kiste nämlich treibt eine „russische Maschine“ ihr Unwesen. „Poweronoff“ ist ihr Name, verdolmetscht „Power On/Off“, wie Jará den nächsten running Gag aufklärt. Alles Wortspiel? Ja, therapierelevant. Auch die Vogeldame Olga, mit ihrem „Nanuuuh!“ eine herrliche Diva-Persiflage, hat einen gehörigen Knall, außer sie singt so innig wie kaum die Knef „Für mich soll’s rote Rosen regnen!“
Woher kommt jene puppenlustige Spielfreudigkeit? Aus dem Kind im Manne, als das sich Jará das Bauchreden autodidaktisch beibrachte: Karlchen aus dem Koffer, niedlich wie alle Puppen, aber auch ein bisschen ADHS, also allzu aufgeweckt und zugleich melancholisch. Selbst ein Puppenspieler kann nicht alles. Wenn er mit den Händen in Karlchens Arme schlüpft um zu zaubern, bleibt der Mund Karlchen und dem Publikum offen. „Auch Puppen haben Probleme“ ist nicht nur der Untertitel des Programms.
Wie auch Lutz Maria Adam, pausbäckiger Knacki, der weiß, dass „wie man sich fettet, so riecht man“, Psychoanalytiker Prof. Dr. Karl-Friedrich Jensen, dessen Humor sich die „heitere Gelassenheit“ des Bruders in der Kiste erst noch herbeireden muss, das hypochondrisch rosane Schweinchen Niemand, Hilde Sommer, ihres Zeichens „Ja aber“-Lebensberaterin. Und am Ende Kira und Sebastian aus dem Publikum, die mit Jarás inneren Stimmen „Always look on the Bright Side of Life“ skandieren. So sind wir transskribiert und therapiert in das, was Theater ist und sein kann.
Infos und Hör-/Sehproben: www.joergjara.de
Schreibe einen Kommentar