Michael Mittermeier begeisterte mit seinem Programm „Wild“ im Schloss

Von Jörg Meyer

Kiel. „Die Welt ist wilder geworden, vielleicht auch nur unübersichtlicher“, sagt der Comedian Michael Mittermeier nicht etwa am Anfang seines fast abgespielten Programms „Wild“, eher als Resümee. Mehr als zwei Stunden hat er, der immer wieder die Gratwanderung zwischen Stand-up-Comedy und politischem Kabarett wagt, im Kieler Schloss als Widerspenstiger die (nicht nur politisch) wild gewordene Welt gezähmt und erntet dafür viel Beifall.

Aber was heißt schon wild? Während die modernen Möchtegern-Oligarchen von Trump („Die Nummer über ihn hab’ ich gestrichen, dem Mann ist einfach nichts mehr hinzuzufügen.“) und Putin („Ich hätte auch nie gedacht, dass ich den im Vergleich zu Trump mal für eine ziemlich coole Socke halten würde.“) über Erdogan („Der spielt ’Putschemon Go’.“) bis Kim Jong-un sich wild und wilder gebärden, gehe es doch in Deutschland recht ruhig zu. Man sondiert, ob man sondieren können sollte, Merkel macht dazu ratlos ihr „Pussy-Emoji“ (so deutet Mittermeier ihre „Rauten-Geste“), Seehofer und Söder fordern Obergrenzen für egal was, und wir haben immer noch keine Regierung. Kein Drama, beruhigt Mittermeier, und „lindnert“: „Lieber keine Regierung als ein schlechte.“ „Naja, der Söder ist doch einer von euch“, tönt es aus dem norddeutschen Publikum, was Mittermeier sofort aufnimmt: „Das ist ein Franke, ich bin Bayer!“ Und überhaupt, warum rege man sich über 12,6 Prozent für die AfD auf – „in Österreich wäre das ein Linksruck.“

Michael Mittermeier mit „Wild“ 2017 im ZMF (Foto: joergens.mi, Wikipedia, CC-BY-SA 4.0)

Doch wild geht’s dennoch zu in den medialisierten Welten. Man werde sich doch nochmal wundern dürfen, warum die zwei Worte „alternative Fakten“ vor kurzem zum einen „Unwort des Jahres“ ernannt wurden. Das sei doch schon per se ein alternativer Fakt. Und solle das Kabarett nicht alternative Fakten schaffen, indem es das „Wilde“ der Welt entsprechend alternativ deute? So seien, verspricht Mittermeier, alle seine irrwitzigen Geschichten zwar wahr, aber „manchmal in den Dialogen gepimpt“, sprich: zur Kenntlichkeit entstellt. Etwa die, wie der Bürgermeister des oberbayrischen Krün, des Englischen nicht mächtig, beim G7-Gipfel 2015 dem damaligen US-Präsidenten Obama das Weißwurst-Zutzeln beibrachte, dabei ins Visier der übereifrigen Bodyguards geriet, diese aber zu zähmen wusste.

Wilde Zeiten und ihre Wahne brauchen wilde Sprüche, um die Mittermeier nicht verlegen ist, selbst wenn er sie zuweilen unter die Gürtellinie verlegt – immer mit tripelbödiger Ironie freilich. So kann man selbst über #Metoo-Themen wie Intimrasur lachen. Oder über – Mittermeiers Liebling: die „Star Wars“-Initiation – einen „schwarzen Smart mit getönten Scheiben, der wie der Helm von Darth Vader aussieht“, und den gar nicht so aussichtslosen Kampf von Kommunionskerzen gegen Lichtschwerter.

Der wilde Wahn ist halt überall. Aber: „Gott ist ein Comedian“, ist sich Mittermeier sicher. Und obwohl man sich von selbigem ja kein Bildnis machen soll, macht er, den Selfie-Wahn karikierend, am Ende eines von sich vor dem begeisterten Kieler Publikum. „Mission possible and completed“, selbst unter Wilden.

Infos: www.mittermeier.de