Rapper Kontra K zeigte sich in der Halle 400 zum Guten gewandelt

Von Jörg Meyer

Kiel. „Gute Nacht, grausame Welt“, heißt es im Titelsong des mittlerweile sechsten Albums des Berliner Rappers Kontra K, auf dessen Tour er und sein Kollege und „Bruder“ Rico nebst kleiner Band die Halle400 bis auf den letzten Platz ausverkauften. Das klingt fast schon biblisch, ein „Gute Nacht“ dem Jammertal des ehemaligen Gangsta-Rappers gegeben. Aber wohin geht der Weg nach solcher Wandlung zum Guten?

Weiter in den Mainstream. Die Hip-Hop-Polizei wird die Stirn runzeln und kurz fühlen, wo die Wumme steckt und wo das Goldkettchen auf der tätowierten Haut noch juckt. Solchen Gewaltigen und Gewalten hatte Kontra K schon auf dem 2016er Chart-Stürmer-Album „Labyrinth“ die Leviten gelesen: in „Ikarus“, das hier als Reminiszenz und Symbol für solches als Phönix aus der einst selbst bezunderten Asche Steigen angestimmt und vom textsicheren Publikum im Refrain mitskandiert und -gefeiert wird.

Beherrscht das Werben mit körperlichen wie musikalischen Werten für das „Gute“: Kontra K (Fotos: Presse/Promo)

Und dennoch: Kontra K beherrscht noch das alte Idiom, setzt es auch weiterhin ein, wenn auch jetzt im Kampf für die gute, sanftmütigere Sache. Denn ach, „2 Seelen“ stecken wie einst Goethes „Faust“ – darunter macht es einer wie Kontra K nicht – in seiner Brust, die er bei „Power“, ganz gewiss solcher Wirkung, nämlich allerlei frenetischem Mädchengekreisch, entblößt wie im Kickboxring.

Auch die Feindschemata haben sich ins Gute der Nacht gerettet: In „2 Seelen“ und „Ratten“ tragen letztere Nadelstreif, Krawatten und Aktenkoffer. Verhasstes Establishment also, gegen das, sei es das der Community oder das der so genannten „Leitkultur“, als „Soldaten 2.0“ anzugehen, Deutsch-Hip-Hops nachwievor schönster Auftrag ist. Übrigens: Der triolische Beat, mehr der Text- als der musikalischen Struktur folgend, konterkariert dabei angenehm querständig das leicht Konsumier-, Tanz- und Händemitschwingbare.

Ein zweites und drittes „und dennoch“ bleibt. Wie soll man die munteren und zugleich allzu gewohnten Spielchen bei „Spring!“ werten, diese Hinsetzen-Hochspringen-Gymnastik, bei welcher die Aufforderung, heraus zu springen aus den gewohnten Verhältnissen und Gewalten eher auf der Strecke bleibt? Und was ist von einer „Challenge“ zu halten, wo der stage-divende Gitarrist von begeisterten Händen nicht in den Himmel, sondern zum Biertresen gehievt wird, für welches Gelingen Kontra K 700 Euro an eine wohltätige Organisation für Kinder spenden wird? Ist gut gemeint, aber letztlich doch nur Show- und Social-Biz.

Aber egal, das verbuchen wir als die zweieinhalbte Seele des Kontra K. Gutes zu tun und Gewalt heilen zu wollen, soll und kann man nicht schlechtreden. Zumal wenn Kontra K in „Mehr als ein Job“ authentisch bekennt, dass er all das nicht wegen des Geldes macht, sondern weil seine Musik Menschen inspiriert, zu sich finden. Auch wenn er in „Jedes Mal“ oder „An deiner Seite“ ein Hohelied der Loyalität und Brüderlichkeit gegen Neid und Hass singt, ist er über jeden Zweifel erhaben. Und wenn er ziemlich gegen Ende der „Hoffnung“ eine geradezu Ode widmet wie einst Schiller der Freude, dann ist alles gut und richtig.