Santiano gingen in der ausverkauften Sparkassen-Arena auf große, manchmal auch Irrfahrt

Von Jörg Meyer

Kiel. Es grollt von weit, ein Sturm zieht auf, und „Im Auge des Sturms“, so der Titel des jüngsten Chart-Stürmer-Albums der Flensburger Seebären Santiano, herrscht alles andere als Ruhe. Nein, gleich beginnt das Tosen, und auf den Planken der ausverkauften Sparkassen-Arena wird man kräftig durchgeschaukelt – auch mal durchgeschunkelt.

Die Frage des Openers „Könnt ihr mich hören?“ erübrigt sich, es geht direkt ins Rauschen und den Rausch „durch Raum und Zeit“ und – weil’s sich so schön geradlining reimt – auch gleich in die „Unsterblichkeit“. Klingt ein bisschen nach überbordender Seefahrerromantik, wäre der Sound nicht so rau wie die See selbst. Dass Santiano keine Süßwassermatrosen sind, wissen wir. Offenbar auch die Tonregie, die den Maschinentelegrafen fast zwei Stunden lang und ohne Pause auf „Voller Fahrt voraus“ stehen lässt. Pyrotechnik und Video-Projektion nicht anders.

Fotos: Christian Barz

Über die Symbolik dabei könnte man indes streiten. Nicht als Windjammer zieht die „Santiano“ über die Leinwand, sondern, begleitet von der Titelmelodie aus dem Film „Das Boot“, als solches. Auf „Feindfahrt“, könnte man meinen, wenn im eröffnenden Song ein teuflischer Klabautermann beschworen wird, dem man seine Seele verkauft. Derlei Assoziationen mögen nicht beabsichtigt sein, zumindest aber ist das Seemannsgarn, das hier gesponnen wird, ein nicht gerade feines. Zumal wenn einige Trink- und Piratenlieder sowie höchst virtuose Teufelsfiedeleien von Geiger Peter David „Pete“ Sage später Sänger Björn Both zur Besinnung ruft.

Die Freiheit, wie in „Frei wie der Wind“ hymnisch von Band und Publikumschor besungen, sei ein wertvolles Gut, bedroht von denen, die sie „jenseits des Atlantiks einst auf ihre Fahnen schrieben“, und von den populistischen Rattenfängern der AfD und Co. Dass nun aber gerade Santiano die Retter in solchen Stürmen wider die Freiheit wären, bleibt zweifelhaft, wenn im Video Björn Both als U-Boot-Kapitän über die Leinwand flackert, die explosiven Sound-Torpedos in den Rohren. Nicht minder unangenehm doppelbödig sind in „Bis in alle Ewigkeit“ die Zeilen: „Lasst uns feiern, seid bereit, mit den Göttern in Walhalla … Zieht hinaus zu Odins Ruhm …“

Aber vielleicht legt man als kritischer Zuhörer auch zu viel ganz sicher unfreiwillige Bedeutung in Santianos Verse, die sonst nicht müde werden, artig „bis ans Ende der Zeit“ auf „Ewigkeit“ und „Unendlichkeit“ zu reimen. Denn wo es so beständig stürmt, selbst in guter Absicht, reißt schon mal ein poetisches Segel oder Haltetau.

Und da sind ja noch die Balladen. Zum Beispiel „Im Auge des Sturms“, welche Björn Both und Gastsängerin Anna Brunner als Minnesang gestalten, worin die Braut des seefahrenden Ritters und er ihr im Sturm Halt und Schutz versprechen. Einer der wenigen Momente, die berühren, die Handy-Feuerzeuge sind dennoch rar.

Trotz mancher Irrfahrten also ist das Publikum ganz an Bord seiner Santianos, wenn die zum Schluss (vor Zugaben) „Wir für euch und ihr für uns“ singen. Schon sympathisch, wenn die Band ihren „unglaublichen Erfolg seit sechs Jahren“ (Björn Both) weniger dem perfekten Management als dem Publikum zuspricht.

Infos und Hörproben: www.santiano-music.de