Elmar Hess mit der Installation „Einen Frieden später“ in der Kieler Stadtgalerie

Von Hannes Hansen

Harald (Foto: Elmar Hess)

Kiel. „Es ist“, möchte man mit Heinrich Heine sagen, „eine alte Geschichte“, die Elmar Hess mit einer aufwendigen Installation mit dem mehrdeutigen Titel „Einen Frieden später“ in acht Räumen der Kieler Stadtgalerie erzählt. Zwar gilt: „Doch bleibt sie immer neu; / Und wem sie just passieret / Dem bricht das Herz entzwei“, aber letztlich ist die Liebesgeschichte von Harald Thomas, dem Seemann und Technischen Offizier aus Rostock, und der Angestellten bei der Hamburger Hafenbehörde, Hannah Ewers, so banal und alltäglich wie jede x-beliebige Romanze, die im eisigen Wind des Ost-West-Konfliktes erstarrte, als die DDR und die Bundesrepublik noch zwei Staaten waren.

Hannah (Foto: Elmar Hess)

Fotos und Briefe belegen die sich über zwei Jahrzehnte hinziehende Liebesbeziehung von Harald und Hannah, erzählen von Ankunft und Abschied, von Wiedersehensglück und Abschiedsschmerz, von Hoffnung und Verzagen. Fotos aus der Kindheit der beiden Protagonisten und schmerzhaft bekannte Bildikonen wie die der brennenden Twin Towers oder des toten Flüchtlingsjungen am Strand, die sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, erweitern die private Geschichte um die historische Tiefenperspektive. Filmausschnitte aus dem 2. Weltkrieg und bedeutungsvoll aufgeladene Objekte wie ein FDJ-Hemd betten sie weiter ein ins Weltgeschehen. Dokumente belegen das brutale Eingreifen der Stasi, die den Seemann nach missglücktem Versuch, die DDR zu verlassen, zwingen will, seine Geliebte als Spitzel zu gewinnen, und ihn, als er sich dem Ansinnen verweigert, ins Gefängnis steckt. Als endlich, endlich die Mauer fällt, ist es zu spät für Harald und Hannah. Sie können zu einander nicht mehr kommen, die Gräben waren viel zu tief.

Alles Fake und doch wahr

Aus der Kindheit (Foto: Elmar Hess)

Eine banale Geschichte also, wäre sie nicht vom glücklichen Anfang bis zu ihrem traurigen Ende erfunden. Es sind Schauspieler, die sich auf den Bildern von Harald und Hannah präsentieren. Elmar Hess manipuliert, kombiniert und montiert historische Fotos, kopiert die Darsteller in sie hinein und entwirft so ein Bild der Wirklichkeit, das ebenso falsch wie wahr ist. Er misstraut im Zeitalter von Fake News und gefälschter Bilder ihrem Wahrheitsgehalt. So entsteht eine verwirrende Mischung aus gefälschten und „echten“ Bilddokumenten, von denen man auch nicht weiß, wie echt sie sind.

Hafen (Foto: Elmar Hess)

Francisco Goya, „Erschießung der Aufständischen“

Doch ist deshalb die Geschichte von Harald und Hannah weniger wahr? Sie ist so erfunden und so wahr, wie Goyas Gemälde von der „Erschießung der Aufständischen des 2. Mai“, wie Rogiers „Verkündigung“ oder Fontanes „Effi Briest“.

 

 

 

 

Rogier van der Weyden, „Verkündigung“

Stadtgalerie Kiel, Elmar Hess, „Einen Frieden später“, Installation. Bis 27.5. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10 – 17 Uhr, Do 10 – 19 Uhr, Sa, So 11 – 17 Uhr, Ostersonntag, Ostermontag, 1. Mai, Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag 11 – 17 Uhr. Karfreitag geschlossen.