Lothar Trolles „Weißes Ostern“ am Landestheater

Von Hannes Hansen

Fotos: Landestheater SH

Schleswig. Das Licht geht aus auf der Bühne des Slesvighus’ und der Vorhang bleibt geschlossen. Man hört die Stimmen von Ingeborg Losch, Neele Friederike Maak und Robin Schneider davon erzählen, dass ein Kind geweckt und zur Schule geschickt wird. Dann geht der Vorhang auf und ein drehbarer Scheinwerfer leuchtet grell in den Zuschauerraum. Dann geht der Vorhang wieder zu und die drei Stimmen erzählen, diesmal vom Zuschauerraum aus, dass die Frau sich wieder zu ihrem Partner legt, dass das Kind nach Hause kommt und das da was mit einer Theaterprobe ist. Das heißt, erzählen tun die drei Stimmen nur intermittierend, meistens schreien sie, abwechselnd im Chor und einzeln. Zwischendurch geht der Vorhang wieder auf und ein Nebelwerfer tritt mächtig in Aktion.

So weit das Stück „Arkadien 1“ von Lothar Trolle in der Inszenierung von Alexandra Holtsch für das Schleswig-Holsteinische Landestheater, und man merkt schon, hier geht es um mehr, als platte Realität auf der Bühne abzubilden. Hier will man dem müden Repertoiretheater zeigen, was eine avantgardistische Harke ist, und deshalb geht es mit „Weißes Ostern“ und der darin eingesponnenen „(Kurze) Szene Annas“ in ähnlichem Stil weiter. Diesmal freilich auf offener Bühne, wo die Beteiligten, zu denen jetzt auch Karin Winkler und Robin Schneider gestoßen sind. In ähnlich eintönige Gewänder gekleidet und mit modisch graublonden Perücken angetan räkeln sie sich auf einer enormen, s-förmig geschwungenen Bank, klettern über sie, hängen von ihr herunter. Dabei erzählen sie, wiederum off schreiend und unisono, so entnehmen wir dem Theaterzettel und streckenweise auch dem Stück, von einer Frau, die mit Wehen ins Krankenhaus fährt und ein Kind bekommt, während ein Mann auf dem Bahnhof stirbt. Wir denken, was wir denken sollen: Aha, Leben und Tod, so nahe beieinander. Ach so, ja, irgendwann kommen ein Pinguin- und ein Storchenkostüm zum Einsatz, und der Storch scheint einen blutrot gewandeten Mann (das gerade geborene Baby?) anal penetrieren  zu wollen. Ganz genau weiß man das aber nicht und deshalb habe ich mich bei anderen Besuchern erkundigt, ob meine Interpretation der Szene  nur meinen schmutzigen Fantasien entspringe. Tue sie nicht, war die Antwort.

Karin Winkler, Robin Schneider, Flavio Kiener, Ingeborg Losch, Neele Frederike Maak (Foto: Landestheater SH)

Und was bedeutet der gewaltige Wirbel nun? Ja, wenn ich das wüsste. Ein bekanntes deutsches Theaterlexikon spricht von Formauflösung und Beseitigung gängiger Dramenmuster bei den Texten Lothar Trolles. Dialoge gebe es kaum. Kurz, das alles sei avantgardistisch. Und da müssen wir natürlich vorsichtig sein mit dem Urteil. Spießerverdacht schrillt es uns in den Ohren, und wir denken an die erste DADA-Ausstellung, die auch kaum einer wollte und die von der Polizei geschlossen wurde. Nun gibt es kaum etwas Spießigeres als die Angst vor dem Spießertum. Deshalb: Die avantgardistische Harke, die Stück und Inszenierung dem konventionellen Theater zeigen wollen, dient weniger der Bereitung eines Beetes für neues Theater als dem Herumfuchteln.

Infos und Termine: www.sh-landestheater.de.