Zwischen Tradition und Novitäten: Daniel Karasek und sein Team stellen den Spielplan des Kieler Theaters 2018/2019 vor

Von Christoph Munk

Kiel. Der Tradition verpflichtet und doch den Blick auf die Gegenwart gerichtet. Nach dieser Maxime hat Kiels Generalintendant Daniel Karasek zusammen mit seinen Dramaturgen offenbar den Spielplan für die Theatersaison 2018/2019 ausgerichtet. In der Oper reicht das zeitliche Spektrum vom Barock bis zur Uraufführung eines Auftragswerks. Im Schauspiel wird der Gegenwartsdramatik mehr als bisher eine gehörige Aufmerksamkeit gewidmet.

Mit einem Hit aus dem gewohnten Repertoire eröffnet das Musiktheater am 22. September den Spielbetrieb: Pietro Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ im vertrauten Doppel mit Ruggero Leoncavallos „Der Bajazzo“, dirigiert von Generalmusikdirektor Georg Fritzsch und inszeniert von Fabio Ceresa, der dem Kieler Publikum durch seine Interpretationen von „Rigoletto“ und „Wilhelm Tell“ bekannt ist.

Eine Uraufführung zum Thema Matrosenaufstand

Schon als zweite Produktion folgt am 3. November die Uraufführung von „Falscher Verrat“ von Marco Tutino, mit der sich die Kieler Bühnen an den Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Matrosenaufstandes beteiligen. Vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse im November 1918 erzählt das Libretto von Luca Rossi und Wolfgang Haendeler eine private, tödlich endende Geschichte um Liebe und Eifersucht zweier Männer im Kampf um eine Frau.

Großes Haus, große Pläne: Daniel Karasek mit den Spartenchefs beim Fototermin vor dem Kieler Opernhaus. (Foto: Munk)

Die Kombination von knallbunter Inszenierung mit umwerfendem Zeichentrick hat das Kieler Publikum im vergangen Jahr mit Rossinis „Die Reise nach Reims“ kennengelernt. Als zweiten Streich ihrer anarchisch witzigen Kunstfertigkeit haben sich der Regisseur Pier Francesco Maestrini und der Comiczeichner Joshua Held Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ vorgenommen und in dieser Spielzeit schon in Lübeck vorgeführt. In Kiel ist das Produkt, dirigiert von Daniel Carlberg, ab 8. Dezember zu sehen. Die Musical-Produktion rückt dafür ins neue Jahr: Stephen Sondheims „Sweeny Todd“, in bewährter Manier von Ricarda Regina Ludigkeit inszeniert, hat am 26. Januar 2019 Premiere.

Im März bereitet GMD Georg Fritzsch allmählich seinen Abschied von der Kieler Oper vor: Als Bühnenwerk hat er dazu „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss gewählt; die Regie übernimmt die große ehemalige Mezzosoparnistin Brigitte Fassbaender. Im April folgt dann Daniel-Francois-Esprit Aubers „Die Stumme von Portici“, mit der – nach „Die Hugenotten“ und „Wilhelm Tell“ – ein weiteres Beispiel der französischen Grand Opéra gezeigt wird. Claudio Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ schmückt die Kieler Serie der Barockopern mit einem Meisterwerk (Premiere: 9. Juni 2019). Fortgesetzt wird auch die Werkreihe für den Kinder- und Jugendchor der Kieler Theaterakademien: „Eloise“, die Vertonung eines norwegischen Märchens durch den britischen Komponisten Karl Jenkins hat am 13. April im Werftpark-Theater Premiere. Für den Zuschauernachwuchs im Alter ab 6 Jahren wird „Die Kleine Zauberflöte“ von Eberhard Streul nach Mozart und Schikaneder vom 30. März an geboten.

Ballett zwischen Klassik und Moderne

Zwischen klassischer Choreogrfie und modernem Tanztheater hält sich wie in jedem Jahr das Angebot des Kieler Balletts: Yaroslav Ivanenko realisiert Prokofjews „Cinderella“ (Premiere: 6. Oktober). Gemeinsam mit Georg Reischl choreografiert der Ballettchef den Zweiteiler „Creations“, zu dem Reischls Weggefährte, der Schlagzeuger und Komponist Vincent Glanzmann, den Sound liefert (Premiere: 30.März). Ihre ersten Gehversuche als Choreografen unternehmen Tänzerinnen und Tänzer mit ihrem traditionellen Abend in der Neuen Salzhalle (Premiere: 30 Mai), wo ihnen in intimem Rahmen alle Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Kreativität offen stehen.

Große Aufmerksamkeit für Gegenwartsdramatik

Das Kieler Sprechtheater beginnt seine neue Spielzeit bereits am 14. September und mit einer bewährten Griff in die Kiste der Klassiker des 20. Jahrhunderts: Edward Albees böses Ehedrama-Spektakel „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ wird von Siegfried Bühr inszeniert; Bertolt Brechts und Kurt Weills unverwüstliche „Dreigroschenoper“ folgt in der Regie von Anette Pullen am 6. Oktober. Mit einer erweiterten Fassung von „Neunzehnachtzehn“ von Robert Habeck und Andrea Paluch beteiligt sich das Kieler Schauspiel am Projekt „100 Jahre Kieler Matrosenaufstand“ (Premiere: 1. Dezember).

Mit den nächsten Premieren räumt das Schauspiel die große Bühne für die Gegenwartsdramatik frei: Florian Zellers „Vater“, ein liebevoller, leicht melancholischer Blick auf einen an Alzheimer erkrankten Mann, kommt nach etlichen erfolgreichen Aufführungen in den vergangenen drei Jahren nun auch in Kiel heraus (Premiere: 16. November). Seit seinem Erscheinungsjahr 2004 hat Juli Zehs Roman „Spieltrieb“ verschiedene Adaptionen fürs Theater erfahren. Für ihre Kieler Inszenierung (Premiere: 18. Januar 2019) sucht die Regisseurin Mona Kraushaar einen eigenen Weg zur Darstellung der Konfrontation einer Gruppe intelligenter Jugendlicher mit der Welt der Erwachsenen. In mehreren Episoden und vielen Facetten schildert der amerikanische Dramatiker Tracy Letts die Biografie einer durchschnittlichen und doch ungewöhnlichen Figur: „Mary Page Marlowe – eine Frau“ hat in der Inszenierung von Dariusch Yazdkhasti am 17. Mai 2019 im Schauspielhaus Premiere.

Victor Hugos Roman „Les Misérables“ ist durch die viel gespielte Musical-Fassung und deren Verfilmung populär geworden. Unter dem deutschen Titel „Die Elenden“ erarbeiten sich Regisseur Malte Kreutzfeldt und der Dramaturg Jens Paulsen jedoch eine eigene Kieler Version, die am 1. März Premiere hat. Generalintendant Daniel Karasek setzt danach mit der Inszenierung von „Hamlet“ (Premiere am 12. April) seine Beschäftigung mit dem Werk von William Shakespeare fort. Unmittelbar vorher (ab 3. März) bringt er als Regisseur eine Rarität von Harold Pinter auf die Studiobühne: „Der Liebhaber“, ein Rollenspiel, eine Beziehungskomödie um die Geheimnisse einer funktionierenden Ehe.

Studio: Ungewöhnliche Lebensläufe

Als erste Produktion auf der Studiobühne bringt das Schauspiel „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ am 16. September heraus. Lisa Gappel wählt für ihre Inszenierung die von der Verfilmung abweichende, ursprüngliche Theaterversion von Alessandro Baricco aus: ein Monolog der Erinnerung an den Pianisten einer Bordkapelle, der sein Schiff sein Leben lang nicht verlassen hat. Zwei Stücke mit ganz aktuellen Bezügen ergänzen das Angebot im Studio: „Occident Express“ von Stefano Massini greift die Geschichte einer alten Frau aus dem Irak auf, die sich auf die abenteuerliche und dramatische Flucht auf der Balkanroute wagt (Premiere: 5.Oktober). In die ferne Zukunft, vielleicht aber auf gespenstische Weise schon in die Gegenwart führt Jennifer Haleys „Netzwelt“, ein Text, der eine virtuelle Realität vorstellbar macht, die noch echter wirkt als die Wirklichkeit (Premiere: 20. Januar).

Selbstverständlich ist auch in der kommenden Spielzeit ein Märchen zur Weihnachtszeit vorgesehen: Ab 7. November wird „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende im Opernhaus zubereitet – der Kinderbuchklassiker als zauberhaftes Märchen mit eigens komponierten Songs.

Im Werftpark: Lockruf an alle Altersgruppen

Im „Werftpark Kiel – junges Theater“ bereitet Astrid Großgasteiger mit ihrem Team acht neue Produktionen vor, mit der alle Altersstufen gelockt werden sollen. An jugendliche Zuschauer wenden sich eine eigene Fassung von Henrik Ibsens „Ein Volksfreind“ (Premiere: 25. September) und Jon Brittains „Rotterdam“ zum Thema Gender und Identitätsfindung (Premiere: 22. März 2019). Für kleine Besucher ab zwei Jahren wird „Der Vogel Farbenfroh“ als spielpädagogisches Stück entwickelt (Premiere: 29. September). Auf aktive Beteiligung setzt auch die Stückentwicklung „Winterbacken“ (Premiere: 6. September). Noch einmal Michael Ende: Sein „Traumfresserchen“ (Premiere: 28. September) ist für Kinder ab drei Jahren geeignet. Ein wenig älter sollten die Zuschauer von „Huck und Jim im Weltall“ (Premiere: 16. November) und dem Grimm-Märchen „Rumpelstilzchen“ (Premiere: 9. März 2019) sein. Für Kinder ab 10 Jahren ist mit „Falscher Verrat #kleinformat“ eine Ergänzung zu Marco Tutinos großer Oper geplant.