Kafkas Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ als Monodrama bei den Komödianten
Von Hannes Hansen
Kiel. Die junge Frau zögert, presst die Worte aus sich heraus, verstummt kurz. Dann wird sie sicherer, die Stimme wird geschmeidig, ruhig und überlegen klingend zuerst. Dann steigert sich das Tempo der Sätze, der Frau fallen die Worte im Stakkato-Rhythmus aus dem Mund. Sie hastet ihnen nach, die Stimme kippt. Die junge Frau hält ein, gewinnt ihre Fassung und fährt kühl fort, bis der Fluss ihrer Rede wiederum zum reißenden Strom wird, auf dem sie an den Klippen der Erinnerung zu zerschellen droht.
Es ist eine beeindruckende Leistung, die Anke Pfletschinger auf Bruno Giurinis kahler Bühne abliefert. Kafkas zwischen Groteske, Parabel und Tragödie oszillierender „Bericht für eine Akademie“ hat der russische Regisseur Artjom Terjochin vom Tilsit-Theater in Sovetsk mit ihr bei den Kieler Komödianten in Szene gesetzt, und so ist die Schauspielerin, ungeachtet ihres Geschlechts, der Affe Rotpeter. Ein Affe, der, auf einer Tierfangexpedition gefangen genommen, zum Menschen wird, um dem Käfig des Zoos zu entkommen.
Kafkas Prosatext ist trotz seiner kristallklaren Sprache in viele Richtungen ausleuchtbar. Geht es um Zivilisationskritik? Um Klage über die Zurichtung des Menschen durch Erziehung? Um Selbstversklavung oder Fremdverschulden? Um Kolonialismus? In Anke Pfletschingers Interpretation der Rolle scheinen all diese und andere Möglichkeiten auf. Wenn sie für Momente in äffische Verhaltensweisen zurückfällt, bleibt sie doch ihrer Herkunft entfremdet, bleibt Mensch und gehört dennoch nicht dazu. Regisseur und Darstellerin verzichten auf eindeutige Festlegungen zugunsten eines weit sich auffächernden Spiels, das auf der minimalistischen Spielstätte statt realer assoziative Räume öffnet.
Gleichberechtigter Teil dieser reichen Orchestrierung sind auch Anna Gantimunovas Zeichentrickfilm und Jevgenija Terjochinas Musik. Die Zeichnungen der jungen Animationskünstlerin zeigen die Dressurgeschichte in ihrer ganzen grotesken, zum schrillen Lachen reizenden Erbärmlichkeit. Sie konterkarieren einmal elegisch, dann wieder sarkastisch das Bild vom Mensch gewordenen Tier, das der Affe, der Rauchen und Saufen gelernt hat, um sich seinen Vorbildern anzupassen, zur Erfolgsgeschichte hochzujazzen sich bemüht. Die Musik dagegen ist bestrebt, diesen Eindruck wieder zu verwischen und das Herzzerreißende der grausamen Geschichte zu gefühlsduseliger Sentimentalität umzulügen.
Aus verschiedenen Elementen, die sich gegenseitig stützen, widersprechen und kommentieren, haben so alle Beteiligten ein vielschichtiges Gesamtbild erarbeitet, das ganz zu Recht das Premierenpublikum am Donnerstag zu lang anhaltendem Beifall anregte.
Die Inszenierung ist Teil eines Theateraustauschs mit der Kieler Partnerstadt Sovetsk, dem ehemaligen Tilsit. Im Herbst wird Ivan Dentler im Rahmen des von der Stadt Kiel und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geförderten Projekts am dortigen Tilsit-Theater als Gastregisseur arbeiten.
Nächste Vorstellungen: Fr, 21.4., 20 Uhr. 11.5., 12.5., 18.5. 19.5., jeweils um 20 Uhr.
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