„Unter Druck und auf Sendung: Schleswig-Holsteins Medienlandschaft 1955 – 2000“

Von Christoph Munk

Kiel. Welche Tageszeitungen in Schleswig-Holstein erhielten 1946 die ersten Primärlizenzen durch die Besatzungsbehörden? Warum sank die Zahl der „Publizistischen Einheiten“ im Land von 13 (1954) auf sechs (1999)? Welcher private Hörfunksender ging 1986 erstmals durch den Äther? Und warum gibt es in Kiel heute keine Pressebälle mehr? Antworten auf diese und zahleiche andere Fragen gibt jetzt eine umfangreiche Publikation des Kieler Presse-Klubs mit dem bildhaft wirksamen Titel „Unter Druck und auf Sendung: Schleswig-Holsteins Medienlandschaft 1955 – 2000“.

Profilierte Persönlichkeit der Mediengeschichte: Christian Heinrich, engagierter Verleger und leidenschaftlicher Journalist. (Foto: Kieler Nachrichten)

Neben Daten und Fakten, so versprechen die beiden Chefredakteure Ulrich Erdmann und Michael Legband enthalten die fast 400 Seiten „viel Atmosphärisches“. Entstanden ist eine Aufsatzsammlung, die „die Entfaltung der Medienlandschaft unter politischen, ökonomischen und technischen Gesichtspunkten darstellen“ will. Und Herausgeber Reinhardt Hassenstein, der Vorsitzende des Kieler Presse-Klubs ergänzt: „Mit diesem dritten Band der Pressegeschichte des Landes schließen wir eine Lücke in der Forschungsgeschichte und erinnern zugleich an sehr bewegte Landesgeschichte, die Schleswig-Holstein auch international in die Schlagzeilen brachte.“ Damit ergänzt das neue Buch an die inzwischen vergriffenen Veröffentlichungen des Presse-Klubs: „Unter Druck gesetzt. Presse und Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Struktur-Wahrnehmung – Herrschaftsakzeptanz“ (2006) und „Dem Leser ein Halt in schwerer Zeit. Schleswig-Holsteinische Pressegeschichte 1945 – 1955“ (1994).

Der Literatur- und Sprachwissenschaftler Ulrich Erdmann beschreibt den eher sachlichen Teil der Sammlung: „Unter den Großkapiteln zu Tageszeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen sowie Besonderheiten der Skandalgeschichte des Landes haben wir die verschiedenartigen Beiträge und Perspektiven wissenschaftlich eingebettet und mit weiterführenden Literaturhinweisen versehen“. Dazu zählen beispielsweise ausführliche Darstellungen der Barschel-Affäre. Wie subjektiv der Blick auf dieses singuläre politische Ereignis ausfallen kann, beschreibt Peter Höver, damals Korrespondent im Landeshaus und heute Pressesprecher der Günther-Regierung: Seine ersten Eindrücke von jenem im September 1987 vom „Spiegel“ aufgedeckten Skandal lieferte bereits im Februar des selben Jahres eine kleine Episode auf den Fluren des Regierungsgebäudes.

Mit Schwung in die Konkurrenz auf dem Hörfunk-Markt: Anzeigenkampagne des ersten privaten Hörfunksender im Lande. (Foto: R.SH)

Diesen Zeitzeugenbericht zählt Michael Legband sicherlich zu den herausragenden Beispielen, die manche exklusive Einblicke in die Arbeit dieser Jahre liefern. Als Chefredakteur der Neuerscheinung zeigt sich Legband darum dankbar, „dass so viele Kollegen sich eingebracht haben und so zur Echtheit der Darstellung dieser Epoche beigetragen haben“. Das Ergebnis ist eine vielschichtige, bunte und profilierte Ansammlung von teilweise bewusst subjektiv gestalteten und darum spannenden Erlebnissen, Porträts und Erinnerungen, die den Band neben seinem akademischen Wert zum Lesevergnügen machen.

Entwicklungslinien, Printmedien, Rundfunk und Fernsehen, so heißen die Hauptkapitel des Produkts. Dabei widmet die historische Aufarbeitung der jüngeren Pressegeschichte Schleswig-Holsteins, der Historie logisch folgend, einen Schwerpunkt der jüngeren regionalen Geschichte von Radio und Fernsehen im Lande. Dazu gehört die Einrichtung eines eigenständig geführten NDR-Landesfunkhauses 1980 in Kiel ebenso wie die Gründung des ersten privaten Hörfunksenders RSH sechs Jahre später. Neben der Konzentration der Presse dürfte diese Entwicklung maßgeblich die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren beeinflusst haben. Wie die Geschichtsschreibung für die Jahre nach 2000 in Sachen Druck, Sendung und vor allem online weitergeht, dürfte nicht nur dem Kenner klar sein: Hauptthema eines vom Presse-Klub geplanten vierten Bandes werden „Die Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Medien im Norden“ sein , so blickt Herausgeber Hassenstein in die Zukunft.

Michael Legband, Ulrich Erdmann ( Redaktion), Stiftung Kieler Presse-Klub (Hrsg.) „In Druck und auf Sendung: Schleswig-Holsteins Medienlandschaft 1955 – 2000“, 384 Seiten, 51 S/W und 36 Farbabbildungen, ISBN: 978-3-86935-337-1; € 29,90; Verlag Ludwig, Kiel