Max Raabe und das Palastorchester mit „Der perfekte Moment … wird heut’ verpennt“ in der Sparkassen-Arena

Von Jörg Meyer

Kiel. „Ich darf mich nicht für die Popmusik verbiegen, ich muss sie so verbiegen, dass sie zu mir passt“, sagte Max Raabe in einem Interview mit dem Online-Magazin laut.de über sein jüngstes Album „Der perfekte Moment … wird heut’ verpennt“. Darauf hatte er unter anderem mit Edel-Pop-Größen wie Annette Humpe und Peter Plate von Rosenstolz zusammengearbeitet. Dass er sich für den Ausflug zum Pop nicht verbogen hat, sondern immer noch mit geradem Rückgrat im Smoking zu den Couplets der 1920er und 1930er Jahre steht, um deren Renaissance er sich einst verdient gemacht hatte, bewiesen Raabe und sein Palastorchester beim Auftritt in der Kieler Sparkassen-Arena.

So folgt auf den schalkhaft poppigen Opener „Guten Tag, liebes Glück“ mit „Du bist meine Greta Garbo“ auch gleich ein Klassiker von Robert Stolz, und mit herrlich süßlicher Verschleppung im Refrain küsst Raabe als gewohnter Charmeur „ihre Hand, Madame“. Beinahe erlöst, dass also alles beim schönen Alten zu bleiben scheint, summt manche(r) im Publikum mit. Doch schon 1930 war ein Hit wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt’“ (wird ebenso mitgesummt) imgrunde Pop und wird im flinken Uptempo des Palastorchesters hübsch aufgepeppt. Statt „Raabe goes Pop“ also eher „Pop goes Couplet“. Anders gesagt: Raabe und seinen neuen Pop-Kumpanen ist das Kunststück gelungen, Popsongs wie das Titel gebende Lied vom „perfekten Moment“ im Stil der knapp hundert Jahre jungen Evergreens zu schaffen.

Max Raabe (hier mit Rabe Rudi) trat am Sonntag in Kiel auf – jetzt mit elegantem Pop. (Pressefoto)

Noch anders gesagt: Der Sprung nach vorn und zurück funktioniert in beiden Richtungen. Deutlich wird das nach der Pause im Raabe-Klassiker „Kein Schwein ruft mich an“. In einer Art Medley dreht das Palastorchester ihn durch den Stil-Wolf, lässt ihn mal als Wiener Walzer, russischen Kasatschok oder im Peking-Oper-Sound bis hin zum Broadway-Show-Kracher erklingen. Neben viel Applaus gibt es dafür einige Bravos.

Nicht nur in den eigenen Pop-Couplets sitzt der musikalische Schalk breit in Raabes Nacken. Und die Ironie „rulez“ – wie man neudeutsch poppig sagen würde – buchstäblich nach wie vor. Gerade in Raabes fein abgezirkelten Zwischenmoderationen. Den Zeitsprung von den vor knapp einem Jahrhundert und heute „roaring Twenties“ schafft Raabe mühelos, wenn er bemerkt, dass man die Spracherkennung eines heutigen Smartphones mit einem Couplet wie „Du, du dudeldu“ „sicher zum Wahnsinn treiben könnte“. Oder für die „Digital Natives“ (von denen es im Publikum freilich nur wenige gibt) erklärt, was ein Adressbuch ist, in dem man noch blättert statt „scrollt“, aber die der Angebeteten dennoch nicht findet.

Manches ändert sich eben nie, ist überzeitlich jenseits von Pop & Co. So auch die exotisch-süße Romantik in „Ich sing’ am liebsten, wenn der Mond scheint“ (Raabe heute) oder „Salomé“ (Robert Stolz, 1920). Raabe und das Palastorchester inszenieren derlei im gleichen neuen wie alten Geist, schlagen so Pop-Brücken über ein knappes Jahrhundert. Und wenn in der dritten Zugabe „Donna Maria“ „unplugged“ und im Close-Harmony-Rund mit zarter Gitarre erklingt, ist man schlicht verzaubert – vom Lied wie von den eleganten Pop-Charmeuren.

Infos und Hörproben: www.palast-orchester.de