Ein enttäuschter Blick auf die neue Gestaltung der Eggerstedtstraße
Von Helmut Schulzeck
Kiel. Die Eggerstedtstraße, ehemals ein offener Zufahrtsweg zum Kieler Schloss und zum Landesfunkhaus des NDR. Heute eine verschattete, enge Halbsackgasse, die gerade noch zum Lieferantenweg von Saturn taugt, an dessen neuen Ende sich das überdimensionierte Schlossquartier als mächtige Straßensperre entpuppt. Wie konnte es soweit kommen? Helmut Schulzeck setzt sich anhand der Eggerstedtstraße mit einer Stadtplanung auseinander, die ihren Kompass bisweilen zu verlieren scheint.
„Albträume habe ich lediglich vom vorherigen Zustand der Schloss- und Eggerstedtstraße.“ – Ein Zitat aus Facebook, das wie andere auch den Zustand der ehemalige Eggerstedtstraße beklagt und Verständnis dafür zeigt, dass die Stadt Kiel sie privaten Begehrlichkeiten preisgegeben hat.
Dabei war die Eggerstedtstraße eine ganz normale Innenstadtstraße, die sogar relativ großzügig die Fußgängerzone der oberen Holstenstraße, den Alten Markt und die Dänische sowie Schloßstraße mit ihren Geschäften und Lokalen auf der östlichen Seite umkurvte. Auch lag in der Straße, die erst 1965 ihren heutigen Namen erhielt, eine Zeitlang eine der beliebtesten Discos in Kiel: Das „Far Out“ war besonders in der zweiten Hälfte der 70er Jahre absolut angesagt unter Studenten und anderen Nachtschwärmern.
Und viele werden sich noch an einen anderen Ort in der Eggerstedtstraße erinnern, der eine Zeit lang absolut hip war: „Leuchtende Tische, weißes Leder, offene Glasfronten an allen Seiten: Mitten in Kiel liegt eine der schönsten Locations – direkt gegenüber vom Kieler Schloss. Das QUADRAT bietet großstädtische Atmosphäre und modernes Interieur, einen großen Showtresen, eine voll eingerichtete Küche und einen Garten – kurz: Alles, was man sich für eine repräsentative Veranstaltung im kleinen Rahmen wünscht.“ Soweit der Werbetext für das Lokal, den man noch heute mit Fotos im Netz findet. (https://www.kielometer.de/location/quadrat)
Gewiss, in letzter Zeit litt die Eggerstedtstraße unter dem Leerstand einiger Geschäfte. Doch wenn man das zum Kriterium für die Privatisierung einer öffentlichen Straße und damit letztlich zum Zubauen von öffentlichen Grund macht, was schließlich einer Enteignung von Boden, der der Allgemeinheit gehört, gleichkommt, könnte man gleich die Straßen der halben Kieler Innenstadt privatisieren und für die Allgemeinheit schließen.
Nein, die Eggerstedtstraße ist von der Stadt Kiel ganz einfach simplen Kapitalinteressen geopfert worden. Und dabei ist der Bau des überdimensionierten, die noch teilweise vorhandenen architektonischen Proportionen seiner Umgebung völlig missachtenden Schlossquartiers, das Raum und Blick rücksichtslos wie ein Elefant im Porzellanladen zustellt und damit negiert, nur der Schlussstein der Entwicklung.

Die Straßenbahnlinie 4 fuhr bis Mai 1985 durch die Eggerstedtstraße (Still aus dem Film „Ich träum’ noch immer von der Straßenbahn“ (Foto: Helmut Schulzeck)
Begonnen hat die Vernachlässigung der Eggerstedtstraße durch die Stadt Kiel spätestens 1985, als nach der Schließung der letzten Kieler Straßenbahnlinie, der Linie 4 am 4. Mai (deren Ausweichroute über die Eggerstedtstraße führte), die Kieler Verwaltung kein Konzept für eine vernünftige Sanierung der Straße vorweisen konnte. Fast sah es so aus, als dächten Politiker und Verantwortliche der zuständigen Behörde, die Sache würde sich durch Nichtbeachtung von alleine erledigen. Tat sie aber natürlich nicht. Und wie begründet man in Kiel traditionell solche Untätigkeit. Ja genau, mit den fehlenden Finanzen: „Kiel hat kein Geld, das weiß die Welt.“ Und so döste der ehemalige Gleisgrund der Kieler Straßenbahn fast idyllisch, wenn auch allmählich verwahrlosend als Behelfsparkplatz eine nicht nur gefühlte Ewigkeit vor sich hin.
Ein echter Schaden wurde der Straße aber erst durch den potthässlichen Gebäudekomplex des Kaufhauses Nordlicht zugefügt. Diese architektonische Zumutung, deren Tage aller Wahrscheinlichkeit nach gezählt scheinen, würgt die Straße räumlich und optisch geradezu ab. Mal wieder typisch Kiel, dass so etwas hier ohne Probleme bei Politik und Verwaltung durchgeht. Vollends perfide wird die Geschichte aber dann, wenn man einen Zustand, den man als Stadt Kiel selbst durch Jahrzehnte langes Ignorieren zu verantworten hat, von städtischer Seite mit Vokabeln wie „Schandfleck“ beklagt (Originalton Oberbürgermeister Kämpfer) und meint, diesen Missstand durch ein solch Monster wie das Schlossquartier beseitigen zu können.
Wenn man in Fördenähe vom Hauptbahnhof zum Bootshafen geht und dann die Blicke über die Stadt schweifen lässt, kann man sich nur ratlos fragen, wie es möglich ist, dass eine Stadt bei solch einer einmalig schönen Lage einen solch lieblosen, ja zum Teil sogar hässlichen städtebaulichen Eindruck hinterlassen kann.
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