Das Sommerfest in der Hansa48
Von Jörg Meyer
Kiel. Melancholie ist ein süß verschattetes Gefühl, nicht zu verwechseln mit träger Trauer, eher überträgt es sanft kämpferische Impulse. Wie in den Liedern des Kieler Singer-Songwriters Fabien Le Griot, der nach der Eröffnung des Sommerfests in der Hansa48 durch die wohl dosierten und zugleich ekstatischen Samba-Trommeleien der Sambastards den Abend unter dem sommerlichen Schatten der Kastanie im Hansahof einleitet.
„Letzter Funke Hoffnung“ titelt eines der Lieder des Songpoeten, der in Berlin bereits in mehreren Reggae-Akustik- und Bossa-Bands spielte und 2016 nach Kiel kam, auf meist Englisch und Französisch, hier mal Deutsch. Der letzte Funke ist darin zugleich ein erster, wenn es ganz liedermacherisch heißt: „So lasst uns nicht verzagen, schenkt dem Fremden Gehör!“ Denn das Fremde ist keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung wie auch in „Relations humaines“. Fabien, der sich den Künstlernamen Le Griot nach der Tradition der nordafrikanischen Geschichtenerzähler gegeben hat – im Brotberuf ist er Integrationslehrer, schöpft unter anderem daraus eine melancholische Menschlichkeit, rollt die bittersüßen Schatten aus ins Lichte. Auch wenn er von der (Menschen-) Liebe singt wie im poppigen „Whenever Love Conquers You“ und deren „Visions“ beschwört, die genau diese zweifelnde Kraft brauchen, um einst sich zu erfüllen. Dazu ziehen bunte Heißluftballone über den Hansa-Dächern ihre stille Bahn, Kinderfinger zeigen darauf voller Erstaunen – poetischer geht nicht. (Nochmal zu hören am 23.6., 19.30 Uhr auf der Kieler Woche im Museumshafen an der Hörn.)
Denn die Kontraste von Licht, Schatten und Stilen machen die Kunst aus, gerade auch beim Lübecker Lutopia Orchestra. Bassistin Antonia (Kontra- und E-Bass) und Multiinstrumentalist Toni (Gesang, Gitarre, Dobro, Akkordeon, Posaune, Drums) changieren auf ihrem jüngsten Album „Friday Night“ zwischen Alternative Rock, R’n’B, Funk, Country-Blues und Balkan Beats. Das Markenzeichen der Slap-Bass-Schönen im schwarz-seidenen Habit und dem Hippie in verschwitzt-weißem Unterhemd und mit Headbanger-Locken sind überraschende Wechsel. „Red Blues“ geht in moderatem Downtempo an den Start, bis die beiden solches in wilden Hardrock münden lassen – hitzig rot, statt bloß Blues-blau. Eindrücklich, wenn Toni in dem Posaunendämpfer singt und so analog beinahe elektronische Vocoder-Effekte erzielt.
Die Schatten ins elektrische Licht des Sequenzers auf dem Laptop-Bildschirms hinter den bebenden Drums bringt JBXDR, aka Jörn Bielfeldt. Der gebürtige Schleswig-Holsteiner verbindet Live-Drumming mit elektronischen Techno-, Trance- und melodischen Ambient-Beats. Aufs erste Gehör minimalistisch, entfalten sie ihre komplexe Struktur. So ist es auch mit der melancholischen Sommermädchenliebe, die in der abschließenden Feuershow dieses kleinen Festivals jenseits des weit weniger poetischen Kieler-Woche-Getriebes buchstäblich aufflammt.
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