Joy Denalane stellte auf der Rathausbühne ihr jüngstes Album „Gleisdreieck“ vor
Von Jörg Meyer
Kiel. „Den Himmel berühren zu können“, sei eine ihrer Lebensmaximen, sagt die Soul-Sängerin Joy Denalane. Mit ihrem jüngsten Album „Gleisdreieck“, von dem die meisten Songs ihres Konzerts auf der Rathausbühne stammen, ist ihr das wiedermal gelungen.
Trotz leichter Melancholie, dem Soul geschuldet, strahlt die Ballade „Himmel berühren“ entsprechend viel Zuversicht aus. „Ich kann die Weichen verstellen“, heißt es darin treffend, und das scheint auch der Himmel selbst zu verstehen, der sich nach einigen herbstlichen Regengüssen pünktlich zu ihrem Auftritt sommerlich aufhellt. Im wechselvollen Leben, das die Soul-Queen wie in „So sieht man sich wieder“ mit durchaus autobiografischen Anspielungen beschreibt, ist das freilich oft anders. Wie im Gleisdreieck, jenem geheimnisvollen Niemandsland in Berlin, nahe dem und den Soul-Plattenschränken des Vaters die Sängerin aufwuchs, weiß man nicht immer, ob die Gleise zum Himmel oder in die Hölle führen.
Berühren sich beide, Himmel und Hölle, zwar des öfteren, so stellt Denalane doch immer wieder die Weichen vom Dunklen zum Licht, auch wenn das lyrische Ich wie in „Der Tag ist nah“ „zu müde um zu träumen“ ist und andererseits „die Träume mich um den Schlaf bringen“. Neben der klangfarbig vielschichtigen Arbeit ihrer Band zwischen Afro-Beats, bluesigem Jazz und auch mal funkigen Avancen, sind es solche (tief-) sinnigen Wortspiele, die das Publikum an Denalanes Lippen hängen lassen. Ein wenig ist das zwar Nabelschau, aber so authentisch gesungen und erzählt, dass es nie peinlich wird, man sich vielmehr in den eigenen Wirren wiedererkannt fühlt.
So ist es stets „höchste Zeit aufzusteh’n“. Den gleichnamigen Song vom Debüt-Album „Mamani“, dort noch eher tief unten in den Abgründen der Seele angesiedelt, münzt Denalane hier geradezu in ein Mutmachlied um, sich von den irdischen (auch kapitalistischen) Fesseln zu lösen und nach vorn und – keinesfalls blauäugig – himmelwärts zu schauen. Entsprechend härter sind die Beats, Blue-Note-zugespitzter die Hooklines und kämpferischer Joys Stimme. Naidoo & Co. wäre sowas nie in den Sinn, geschweige über die Lippen gekommen.
Auch stimmlich setzt sich Joy Denalane deutlich von den süßlichen Soul-Schmeichlern der Mannheimer Schule ab. Wenn sie mit „Vier Frauen“ Nina Simones „Four Woman“ ein Denkmal setzt, spürt man mit Gänsehaut, dass hier eine den Soul-Himmel nicht nur berührt, sondern auch geöffnet hat.
Infos und Hörproben: www.joydenalane.com
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