Vielleicht einst ein Klassiker: Heinz Rudolf Kunze beim Classic Open Air auf der Rathausbühne

Von Jörg Meyer

Kiel. „Gigantisch, wie das Orchester das macht, dabei hatten wir nur einen Tag Probezeit“, freut sich Heinz Rudolf Kunze über die Zusammenarbeit mit dem Kieler Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor Georg Fritzsch. Gemeinsam machten sie das traditionelle Classic Open Air bei der Kieler Woche zu einem Erlebnis, das Geschichte schreiben könnte, wie Liedermacher-Poesie und symphonische Power sich gegenseitig befruchten.

Passend zum Titel von Kunzes neuestem Album „Schöne Grüße vom Schicksal“ eröffnet das Orchester mit der Ouvertüre aus Giuseppe Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“. Doch bevor Kunze selbige in seinen poetisch vielschichtigen Liebesliedern auslotet, steht zunächst noch ein weiterer „Klassiker“ des Classic Open Air auf dem Programm, die Vorstellung eines jungen Nachwuchstalents: Die Perkussionistin Coralie Common, ehemals Schülerin des Ernst-Barlach-Gymnasiums, mehrfache „Jugend musiziert“-Preisträgerin und jetzt im zweiten Semester Studentin an der Lübecker Musikhochschule, zeigt mit zwei Solo-Stücken auf Marimbafon und dem um eine Teekanne erweiterten Drumset polyrhythmisch frühe Meisterschaft. Folgend zwei Märschen aus John Williams’ Filmmusik für „Star Wars“, die das Orchester mit Brillanz vor allem der kraftvollen Blechbläser präsentiert, ist dann Kunze dran.

Nach dem klangdramaturgisch höchst differenzierten „Star Wars“-Pomp leitet das Orchester „In der alten Piccardie“ vom Album „Deutschland“ mit umso sanfteren, choralartigen Holzbläsern ein, um sich in dieses Erinnerungsszenario mit den Streichern hymnisch zu steigern. Ein majestätisches Hörerlebnis, das sich im folgenden „Hallo Himmel“, wo „die Engel Schach spielen mit Raum und Zeit“, umso lockerer gibt. Und Beispiel dafür ist, wie sich Poesie und Symphonie die Hand reichen.

„Balladen sterben nicht aus, weil sie zu allen Zeiten auf offene Ohren stoßen“, weiß Kunze. Genauso, dass sie von einem philharmonischen Orchester begleitet ganz neue Dimensionen eröffnen, etwa in dem weniger bekannten So wie du bist“, einem zarten Liebeslied, das auch das gesamte Konzert treffend beschreibt, wenn es darin heißt: „Du bist einfach richtig, so wie du bist.“ Kunzes und der Philharmoniker Klassik werden hier zur einverstandenen Kunst, wenn nicht sogar zu einer Liebesbeziehung.

Bevor es allzu romantisch wird, die Refrains von begeisterten Ü40-Frauen wortgetreu mitgesungen, zumindest mitgeklatscht, gibt sich Kunze ganz aktuell gesellschafts- und medienkritisch und redet dabei zuweilen auch allzu offensichtlichen Klartext. Kostprobe: „Trump, gnadenlos gewissenlos wie Geld – liebe Kennedy-Mörder, haut ihn zu Klump!“ Da wird zwar zweifelhafte Trump-Twitter-Rhethorik mit Gleichem vergolten, dennoch zeigt es, dass Kunze sich auch als politischen Pop-Poeten versteht.

Manches muss eben „nicht ein, nicht zwei, sondern tausend Mal gesagt werden“, bis es durchdringt, auch und gerade in Liebesdingen. Die Single vom neuen Album, auf der Kunze bekennt, er möchte „ohne dich in keinem Himmel wohnen“, kulminiert just dort, im Himmel, in der symphonischen Version der Kieler Philharmoniker. Das wird im Publikum beherzt und – wie die Zugabe – von Handy-Feuerzeugen bekerzt mitgesungen wie der Klassiker „Dein ist mein ganzes Herz“, den Kunze und seine Kieler Kombattanten auf symphonisch gesteigerten Rock trimmen.

Der Sänger und Poet, der in Kiel erstmals 1981 im damaligen Ball Pompös (heute MAX Nachttheater) auftrat, wie sich Stadtpräsident Hans-Werner Tovar und Hauke Petersen, Vorsitzender des Kieler-Woche-Fördervereins, der das Classic Open Air veranstaltet und fördert, an ihre Jugend noch erinnern können, hat erneut tiefe, symphonisch wie liedermacherisch power-volle Spuren in Kiel hinterlassen.