Madeleine Prahs mit ihrem Roman „Die Letzten“ bei „amtsKULTUR“ der Evangelischen Nordkirche
Von Jörg Meyer
Kiel. Sie hat mal selbst in einem Haus gewohnt, das entmietet wurde: Madeleine Prahs forscht in ihrem nach dem Debüt „Nachbarn“ zweiten Roman „Die Letzten“, was passiert, wenn wir unserer Geborgenheit und damit Identität verlustig werden. Die in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, Geborene vermeidet bewusst den von Rechten okkupierten, dennoch passenden Begriff „Heimat“.
Karl Kramer, ehemals Logistiker und Hausmeister, von der Digitalisierung so wegrationalisiert wie von seiner geschiedenen Frau Erika, der er immer noch nachsinnt. Moderne Zeiten sind auch unbehauste für Jersey, Punkerin und „Teilzeit-Studentin mit Chardonnay-Problem“, ebenfalls eine Verlorene im Haus. Und da wäre noch im Figuren-Trio Elisabeth Buttkies, Rentnerin und Witwe, die krebskrank lieber heute als morgen stürbe – allein: Sterbehilfe ist gesellschaftlich noch immer kein Thema.
Mit solchen ganz gewöhnlichen, aber im Detail auch recht schrägen Figuren füttert Prahs ihren Roman, der manches von einem Schelmen-Roman à la „Simplicissimus“ hat. Das Setting einer Heuschrecke wie dem Immobilien-Hai Thomas Gruber, der am Ende quasi (hin-) gerichtet wird, entwickelt das Entmietungsproblem im Sinne des Kapitals nur am – freilich immer sichtbaren – Rande.
Was hier neben der kapitalistischen Offensive wirkt, ist ein Entfremdungsprozess, dem Prahs minutiös lauscht. Humor, manchmal der des Galgens, sagt sie, sei dabei „auch eine Waffe der Abgehängten“. „Arbeit und Wohnen“ seien „zwei Dinge, die Identität stiften“, bekennt sie in der Diskussion mit Prof. Dr. Peter Unruh, Präsident des Landeskirchenamts.
Wie gehen wir in den modernen Zeiten um mit dem Verlust von Schutz und Geborgenheit, mit dem von „Heimat“, die Prahs deutlich gegen den Pegida-Wahn als „bei sich selbst Sein“ definiert? Entmietung ist in Großstädten derzeit Legion, um mehr Profit zu erzielen. „Ich bin 90 Prozent“, weiß Karl Kramer und ist damit nicht zufrieden. Einzigartiger wäre er gern. Madeleine Prahs macht ihn wie die anderen Figuren dazu. Keine „Abgehängten“ seien sie, „sie sollen dazu gemacht werden.“
Und darin sind die Letzten die Ersten, „pendelt Humor zwischen Witz und Depression“, und siegen sie am Ende „kafkaesk und clownesk“, wie es ein Rezensent nannte, über das wilde, wirre Leben.
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