„Shakespeare in Love“am Schleswig-Holsteinischen Landestheater

Von Hannes Hansen

Rendsburg. Es geht hoch her in Lee Halls Komödie „Shakespeare in Love“ am Schleswig-Holsteinischen Landestheater. Einem Stück, das erst 2014, sechzehn Jahre nach dem gleichnamigen, mit sieben Oscars ausgezeichneten Film nach dem Drehbuch von Marc Norman und Tom Stoppard seine Londoner, von der internationalen Presse hoch gelobte Premiere hatte und anlässlich der deutschen Erstaufführung bei den Bad Hersfelder Festspielen vor wenigen Wochen enthusiastisch gefeiert wurde.

Das Stück schließt auf fiktive Weise die Lücke in Shakespeares sieben „verlorenen Jahren“ zwischen 1584 und 1591, zwischen seiner (vermuteten) Flucht vor Ehe und Familie in Stratford und seiner ersten dokumentierten Erwähnung in London. Eine Zeit, über die eine große Vielzahl von mehr oder weniger glaubwürdigen Spekulationen in Umlauf ist. Das, dachten sich die gewieften Film- und Theaterpraktiker Marc Norman und Tom Stoppard, könnten sie besser und stellten mit ihrem dem Stück zugrunde liegenden Drehbuch eine Version her, die auch nicht wahrscheinlicher als die gängigen Theorien, dafür aber, und das erst recht in Lee Halls Bearbeitung, theaterwirksamer ist.

Nach ersten Erfolgen als Komödienautor mit Hunden und anderem Schnickschnack auf der Bühne steckt der junge Will Shakespeare in der Krise. Ihm fällt nichts ein, der Abgabetermin für ein neues Stück drängt, und der Vorschuss ist aufgebraucht. Kollege Christopher Marlowe hilft ihm zwar weiter mit Routinetipps, aber richtig in Schwung kommt die Chose erst, als der junge Poet Lady Viola kennenlernt und sich in sie verliebt. Die Dame möchte zwar allzu gern als Schauspielerin glänzen, aber das geht nicht, weil sie erstens als Standesperson nicht auf die Bühne des fahrenden Volks gehört und weil zweitens Frauenrollen – das Gesetz schreibt es so vor – von Männern gespielt werden. Also verkleidet sie sich als Mann, spricht vor und bekommt von Shakespeare, der von ihrer wahren Identität nichts ahnt, die Rolle des verliebten Romeo in „Romeo und Julia“ auf den Leib geschrieben. So entsteht ein außerordentlich intelligentes Verwirrspiel, in dem nichts so ist, wie es scheint, und Lee Hall nach Vorgaben der Drehbuchautoren eine turbulente Komödie komponiert hat, die geeignet ist, Lachsalven im Publikum hervorzurufen. Ihre Mittel: Ironische Seitenhiebe auf das Theater, den Kulturbetrieb und das höfische Zeremoniell, auf gestelzte Sprache und pompöses Gebaren. Dazu offene und versteckte Anleihen bei Shakespeares Stücken, etwa wenn Lady Silvia nach der ersten Liebesnacht mit dem Dichter sagt: „Es war die Eule und nicht der Hahn“ und so Julias Worte „Es war die Nachtigall und nicht der Lerche“ derbe persifliert. Ein Scherz unter Kollegen, als Freund und Rivale Marlowe die gefühligen Anfangsverse des berühmten Sonetts Nr. XVIII „Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen / Er ist wie du so lieblich nicht und lind“ als abgeschmackt qualifiziert.

Auf den Schelm des Stücks setzt Wolframs Apprichs Inszenierung am Schleswig-Holsteinischen Landestheater anderthalbe und bedient sich gewitzt aller Mittel der Bühnenkunst: Mord und Totschlag, Prügeleien, Degen- und Wortgefechte die raue Menge, sechzehn Schauspieler und Schauspielerinnen in fünfundzwanzig Rollen, dazu eine vierköpfige Combo, die Paddy Cunneens Musik als gekonnte Mixtur von Swing, Free Jazz und Romanze interpretiert. Nicht zu vergessen Mirjam Benkners Kostüme, die den Kontrast zwischen farbenfrohen Renaissancegewändern und heutigem Lederjacken-Chic genussvoll ausspielen. Ihre Bühne findet mit gerüschten, in vielen Farben schimmernden Stoffbahnen aus alten Theatervorhängen in dreifach gestaffelter Anordnung eine augenzwinkernde Balance zwischen wohligem Kitsch und grandioser Überhöhung.

Geschickt wechseln alle Beteiligten zwischen Commedia dell’arte-Elementen, outriertem Spiel und melancholisch grundierter Ernsthaftigkeit. Da gibt Neuzugang Lukas Heinrich den Will Shakespeare als leicht entflammtes, zwischen Schüchternheit, Selbstzweifeln und selbstbewusstem Auftrumpfen schwankendes Dichtergenie, glänz Meike Schmidt in einer kessen Hosenrolle ebenso wie als hingebungsvolle Geliebte. Die meisten anderen Rollen zeichnet die Regie als Typen, ob Reiner Schlegelberger als reichen, geltungssüchtigen Finanzier, Simon Keel als gestenreichen, überdrehten Schauspieler – (eine Hommage wohl an die Aufführungspraxis der Londoner Theater zur Shakespearezeit) oder all die anderen.

In Wolfram Apprichs Inszenierung kommt das Theater zu sich selbst und feiert mit Ironie, Aplomb und Liebe seine manchmal verschlissene, aber immer noch große Würde.

Infos und Termine: www.sh-landestheater.de