Ein Snapshot von den Kieler Ateliertagen: „CappuShots“ im Prinz Willy
Von Jörg Meyer
Kiel. Sie sind bei Facebook, Instagram et al. Legion – Snapshots, wo man gerade seinen Cappuccino trinkt, von Baristas elegant mit Milchschaum dekoriert, Zeugnisse, dass man an der modern gewordenen Kaffeekultur teilhat, meist ohne jeden tieferen Sinn als den einer Statusmeldung à la „hier bin ich gerade“. Der Hamburger Fotograf Manfred Greiff und die Schauspielerin und Autorin Maria Debora Wolf zeigen in ihrer Fotoausstellung/Installation „CappuShots“, die bei den Kieler Ateliertagen im Prinz Willy gezeigt wird, dass man aus derlei eine ganz neue Kaffeehauskultur, wenn nicht gar Kunst machen kann.
Belanglos, Bagatellen, wohlfeiler Bildstoff, um das Social Web zu füttern? Der regelmäßigen Café-Besucherin, Cappuccino-Genießerin und gut vernetzten WhatsApp-Senderin Maria Debora Wolf war das zu wenig. Vor gut einem Jahr begann sie, beinahe täglich an Freunde und Bekannte wortlos eine Art „Tassenpost“ zu senden – einen CappuShot. Der Fotograf und bildende Künstler Manfred Greiff stieg darauf ein und replyte mit eigenen CappuShots. So entstand über die Monate ein Dialog von Kaffeetassen, Bilder ohne Worte, schnappgeschossen mit dem Handy. Über 300 waren es rasch. Nur was damit machen? Sie im (Koffein-) Rauschen des Netzes verschwinden lassen?
Die tassen-geposteten Snapshots entwickelten ein Eigenleben, denn über das oberflächlich Alltägliche hinaus zeigen sie „Atmosphären“ und nicht zuletzt Augenblicksgefühle. Manchmal Trauer, zuweilen verhalten knisternde Erotik, wenn am Tassenrand ein Lippenstiftabdruck klebt – wie dazumal, als man sich ein duftendes Schleifchen sandte … Kommunikation über Bilder entwickelte sich gleichsam im Kaffeesatz, aus dem sich bekanntlich manches lesen lässt. Kurzum: Kunst.
Was aber ist Kunst? CappuShots oder „können die weg“? Wo ist da gestalterischer Wille oder bloß der Moment? Manfred Greiff ist in seinen Fotoarbeiten gewöhnlich ein ganz genauer Gestalter. Seine atmosphärischen Landschaftsfotos inszeniert er konzis, bearbeitet sie buchstäblich vielschichtig und durchaus malerisch in Photoshop – ein Maler mit digitalem Pinsel. Umso mehr war es für ihn Herausforderung, sich bei den CappuShots ganz dem Moment und auch Zufall zu überlassen, die totale Kontrolle über die Bildkomposition aufzugeben. Derweil gelangen Wolf wie z.B. in „Red And Blue“ Snapshots, die von Form und Farbe her wie inszeniert erscheinen. Doch bei beiden ist nichts inszeniert, vielmehr „ergab es sich so“.
Definition solchens als Kunst also „ex post“? Nein, denn der Begriff „Kunst“ spielte ja beim Hin- und Herposten kaum eine Rolle. Die Kunst hat sich sozusagen aus ihr selbst heraus „eingeschlichen“, hat sich gerade durch das Nicht-Gestalten in die Fotos imprimiert, als „Kassiber“ – oder eben als „Tassenpost“.
Unterstützt wird dieser Eindruck von der Hängung im Prinz Willy. Einen halben Tag lang haben Greiff und Prinz Willy-Betreiber Jörg „Willy“ Wentorf die 289 aus dem (ständig weiter wachsenden) Konvolut ausgewählten 9×13-Fotos in quasi Filmstreifen komponiert, die nun die Fenster, Wände und die mittelständige Säule gürten. Auch da spielte der Zufall eine Rolle, indem die einzelnen Fotos einfach vom Stapel weg montiert wurden. Und – man glaubt es kaum –, ergeben sich kleine Geschichten aus der so entstandenen Reihung der Augenblicks-Shots.
Die Tassenpost kommt an, auf den Wänden und Fenstern und auch bei mancher Betrachterin. So wird aus dem Profanen der Shots wie in einem Comic-Strip eine – sagen wir ruhig – Liebesgeschichte, jeweils vom Beobachter ins Eigene zu deuten. Darauf einen Cappuccino – und Chapeau!
Die Ausstellung ist noch am heutigen Sonntag von 14 bis 18 Uhr zu sehen, bleibt aber im Prinz Willy auch nach den Ateliertagen noch einige Tage hängen.
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